Womit Urlauber aus Risikogebieten rechnen müssen
Berlin – Endlich Ferien! Doch zum Start in die Hauptreisezeit sind viele Erholungssuchende und Gastgeber im Urlaubsland Deutschland schon darauf gefasst: So einfach und entspannt wie sonst wird das nicht in diesem Pandemie-Sommer 2020.
In Hotels, Appartements und Restaurants gelten Abstands- und Hygieneregeln. Und nun kommt dazu, dass es einzelne regionale Corona-Brennpunkte in der Republik gibt. Nach dem großen Ausbruch in einem Schlachthof in Nordrhein-Westfalen greifen erste Urlaubsregionen zu Beschränkungen für Reisende aus Risiko-Gebieten. Klar ist: Die Corona-Eindämmung wird schwieriger.
Wo ist das akute Problem?
Bund und Länder haben einen regionalen Notfallmechanismus vereinbart, falls das Infektionsgeschehen in einer Gegend stark aufflackert. Das heißt: Behörden sollen vor Ort schnell gegensteuern, um eine größere Ausbreitung zu verhindern. Eine Bewährungsprobe dafür ist jetzt da. In den Kreisen Gütersloh und Warendorf mit 640.000 Einwohnern rund um das Tönnies-Fleischwerk in Rheda-Wiedenbrück gelten wieder strenge Kontaktbeschränkungen – doch vorerst eben auch nur dort. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte schon Mitte Juni grundsätzlich gesagt, die «Kreuz- und Quer-Bewegung» von Urlaubern durchs Land bringe die Frage der Infektionsverbreitung noch einmal anders auf die Tagesordnung.
Was machen Länder mit beliebten Urlaubszielen?
Bisher reagieren die Bundesländer unterschiedlich. Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern haben ein Beherbergungsverbot oder andere Beschränkungen für Menschen aus Corona-Risikogebieten festgelegt, die keinen negativen Corona-Test vorweisen können. Im Fall Niedersachsens gilt dies speziell für Menschen aus den Kreisen Gütersloh und Warendorf. «Die Maßnahmen sind verständlich auch wenn sie sehr unangenehm sind», erklärte der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. «Da kommt eine Mentalität auf, die eigentlich keiner will.»
Als Risikogebiete gelten Regionen mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. In Mecklenburg-Vorpommern ist eine Einreise für Personen aus solchen Corona-Hotspots nicht gestattet. Ausnahmen gibt es für Menschen mit einer ärztlichen Bestätigung, dass keine Infektion mit dem Coronavirus vorliegt. Der Test darf höchstens 48 Stunden alt sein. In Schleswig-Holstein müssen Reisende aus Risikogebieten unverzüglich nach der Einreise in ihre Wohnung oder in eine andere geeignete Unterkunft, um sich dort 14 Tage lang zu isolieren. Eine Ausnahme gilt, wenn ein aktueller negativer Test vorliegt.
Wie wird die Einhaltung der Bestimmungen kontrolliert?
Eine zuverlässige Kontrolle ist schwierig. In Mecklenburg-Vorpommern sind bisher auf Usedom und in Kühlungsborn Urlauber aus Gütersloh abgewiesen worden. In zwei Fällen haben Vermieter die Gesundheitsämter um Rat gefragt, in weiteren Fällen wurden Ordnungsämter bei der Durchsicht von Gästelisten fündig. Eine regelmäßige Kontrolle scheint nicht möglich zu sein, da viele Touristen in nichtgewerblichen Ferienunterkünften wohnen. Den Behörden werden Gästelisten dann erst mit der Abrechnung der Kurtaxe vorgelegt. Das ist in den Satzungen der Ferienorte unterschiedlich geregelt. Aus Schleswig-Holstein hieß es, spezielle Polizeikontrollen auf die Autokennzeichen Gütersloh und Warendorf solle es nicht geben.
Wie handhaben andere Bundesländer den Umgang mit Reisenden
Berlin, Hessen und Thüringen fahren einen anderen Kurs als die im Sommer besonders gefragten Küstenländer und Bayern. Sie planen aktuell keine Beherbergungsverbote für Touristen aus der Region Gütersloh. Allerdings werde das Infektionsgeschehen aufmerksam beobachtet, sagte ein Sprecher der Landesregierung in Wiesbaden. Touristen wird empfohlen, sich vor Reiseantritt selbst zu informieren, welche Regelungen an ihren Zielorten gelten.
Droht ein Flickenteppich bei den Urlaubsregeln?
Der Bund will die regionalen Entwicklungen genau beobachten. Doch operativ am Zug sind die Länder. Merkel machte schon generell klar, dass es auf funktionierende Kommunikation der örtlichen Behörden in der ganzen Republik ankommt. «Wenn jemand an der Ostsee war, aber aus Bayern oder Hamburg gekommen ist, ist es natürlich wichtig, dass die Gesundheitsämter untereinander in einem engen Kontakt sind.» Beim Erkennen und Nachverfolgen von Infektionen helfen soll auch die neue Warn-App des Bundes. Inzwischen wurde sie 12,6 Millionen Mal auf Smartphones heruntergeladen, auf denen das technisch möglich ist. Das entspricht immerhin schon 15 Prozent der Menschen in Deutschland.
Wie geht es weiter?
Eine Schaltkonferenz der Gesundheitsminister brachte am 24. Juni noch keine Lösung für eine einheitliche Linie bei Reisebeschränkungen. Dem Vernehmen nach könnte das Thema bei den Ministerpräsidenten landen. NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) mahnte schon: «Eines geht nicht: dass man die Menschen aus dem Kreis Gütersloh öffentlich stigmatisiert.» Allerdings kam es auch an anderen Orten wie in Berlin oder in Göttingen zuletzt zu auffälligen Corona-Ausbrüchen. Zu sagen, wie die Urlaubssaison das Infektionsgeschehen beeinflusst, wäre «pure Spekulation», sagte der Medizinstatistiker Gerd Antes von der Uni Freiburg. Die Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken, habe jeder selbst in der Hand. Umso klarer müsse kommuniziert werden, sich an die Abstandsregeln und das Tragen einer Schutzmaske zu halten.
© dpa-infocom, dpa:200625-99-559219/3
(dpa)