Was ist ein Überhangmandat und was ist jetzt anders?
Wer sich mit dem Wahlsystem der Bundesrepublik Deutschland befasst, stößt unweigerlich auf den Begriff Überhangmandat. Viele Wähler wissen mit diesem Begriff allerdings nichts anzufangen. Und sind umso erstaunter, dass es bei der Bundestagwahl am 22.September eine wichtige Änderung gibt.
Was ist ein Überhangsmandat?
Überhangmandate können in einem Wahlsystem entstehen, das auf einer personalisierten Verhältniswahl beruht. Bei dieser Form von Wahl, die auch bei der Wahl zum Deutschen Bundestag zum Einsatz kommt, hat jeder Wahlberechtigte zwei Stimmen:
- Die Erststimme gibt er für einen in seinem Wahlkreis antretenden Direktkandidaten einer Partei ab.
- Mit der Zweitstimme, die er einer bestimmten Partei gibt, entscheidet er über den Anteil der Bundestagssitze einer Partei.
In den Bundestag ziehen die Parteien ein, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen bundesweit oder mindestens drei Direktmandate errungen haben.
Steht der Anteil der Bundestagssitze fest, werden die jeder Partei zustehenden Sitze auf die Bundesländer verteilt. Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis ein Direktmandat errungen haben, ziehen auf jedem Fall in den Bundestag ein. So soll der Wähler nicht nur auf die Zahl der Sitze Einfluss haben, sondern auch auf die personelle Zusammensetzung. Die weiteren einer Partei zustehenden Sitze werden aus ihren Landeslisten besetzt.
Hat eine Partei jetzt in einem Bundesland mehr Direktmandate errungen als ihr nach dem Anteil von Zweitstimmen Sitze zustehen, entstehen Überhangmandate. Denn ein erfolgreicher Direktkandidat zieht auf jeden Fall in den Bundestag ein.
Warum gibt es jetzt auch ein Ausgleichsmandat?
Überhangmandate wurden in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder als ungerecht und verfassungswidrig kritisiert. Denn durch sie konnte es passieren, dass eine Partei mit besonders vielen Direktmandaten mehr Sitze im Bundestag erhält, als ihr nach dem Anteil der Zweitstimmen zustanden. Um dieses Ungleichgewicht zu verhindern, entschied der Bundestag 2012 eine Reform des Bundestagswahlrechts. Das war ihm zuvor vom Bundesverfassungsgericht in einem Urteil auferlegt worden. Wichtigster Aspekt der Reform: Überhangmandate werden durch Ausgleichsmandate ausgeglichen. Das bedeutet, dass der Bundestag durch zusätzliche Sitze erweitert wird, um trotz Überhangmandaten einen Sitzanteil jeder Partei entsprechend ihres Zweitstimmenanteils zu ermöglichen. Experten halten im Extremfall eine Vergrößerung des Bundestags von derzeit 620 auf 800 Sitze möglich.
Infos über das A-Z der Bundestagswahl, von Abwahl bis Überhangmandat, finden Sie hier.
Foto: Deutscher Bundestag / Marc-Steffen Unger