Was das Welterbe Wattenmeer einzigartig macht
Wilhelmshaven – Nur auf den ersten Blick wirkt die Landschaft öde und leblos. Das Wattenmeer ist eine der ökologisch wertvollsten Regionen der Erde. Millionen Zugvögel rasten dort auf ihrem Weg von den arktischen Brutgebieten in die Winterquartiere in Afrika.
Entlang der Küste von Dänemark, Deutschland und den Niederlanden finden sie reichlich Wattwürmer, Muscheln und Algen als Nahrung.
Das Gebiet ist weltweit einzigartig: Wegen der geologischen und ökologischen Bedeutung wurden am 26. Juni 2009 große Teile des deutschen und niederländischen Wattenmeeres in das Unesco-Weltnaturerbe aufgenommen. 2011 wurde die Liste um das Hamburgische Wattenmeer erweitert, 2014 kam das
dänische Wattenmeerhinzu.
Beim Schutz des Wattenmeers arbeiten Dänemark, Deutschland und die Niederlande schon seit 1978 zusammen. Diese Kooperation sei ein Hauptargument für die Nominierung gewesen, sagt Rüdiger Strempel, Exekutivsekretär des
Gemeinsamen Wattenmeersekretariats. Dank der gemeinsamen Schutzbemühungen stieg etwa der Seehundbestand von weniger als 5000 im Jahr 1975 auf schätzungsweise 40 000 Tiere.
Welterbestatus als Verpflichtung
Das Wattenmeersekretariat in Wilhelmshaven steuert gemeinsame Aktionen und koordiniert etwa länderübergreifende Zählungen von Seehunden und Kegelrobben. Der Welterbestatus sei eine Verpflichtung, die Landschaft für künftige Generationen zu bewahren, sagt Strempel.
Für Klaus Koßmagk-Stephan war der 26. Juni 2009 ein grandioser Moment. Er war für die schleswig-holsteinische Nationalparkverwaltung dabei, als die Entscheidung in Sevilla verkündet wurde. Der Status als Welterbe sei das Beste, was dem Wattenmeer passieren konnte, erklärte er kürzlich. Das habe bei Anwohnern die Identifikation mit dem Nationalpark gefördert.
Auch die Niederländer lieben ihre «Waddenzee». Als eines der letzten ursprünglichen Naturgebiete des Landes wird es besonders geschätzt und geschützt. «Es ist eine einzigartige Kulturlandschaft und Natur», sagt Susan Apfel vom Tourismusverband Groningen. Die drei Provinzen Nord-Holland, Friesland und Groningen haben sich zusammengeschlossen, um nachhaltigen Tourismus zu fördern.
Gefährdeter Naturraum
Die besondere Beziehung der Niederländer zu dem sensiblen Ökosystem zeigte sich zuletzt Anfang des Jahres: Nachdem das Containerschiff «MSC Zoe» im Sturm mehr als 345 Container verloren hatte, verschmutzten Tonnen von Plastikmüll die Küsten. Tausende Freiwillige reisten an, um Dünen und Küstenstreifen zu reinigen.
Ganz im Norden des Lebensraums beschreibt sich das dänische Wattenmeerzentrum in Ribe als «Tor zum Unesco-Welterbe». Seit der Gründung eines Wattenmeer-Nationalparks 2010 und der Anerkennung durch die Unesco sei das Verständnis für den Schutz der Natur immens gewachsen, sagt Zentrumsleiter Klaus Melbye. «Das ist eine sehr, sehr gute Geschichte für die Region. Heute sind die meisten Menschen stolz auf die Gegend, und dieser Stolz wird größer und größer.»
Trotz aller Erfolge sehen Naturschützer aber auch Defizite beim Schutz des Wattenmeers. Gefährdet wird der Lebensraum nach Ansicht des WWF etwa durch Ausbaggerungen, Schifffahrt, Fischerei, Müll, Industrieanlagen und Tourismus. «Bei diesen Themen muss immer wieder für die Erhaltung von Arten und Lebensräumen gestritten werden», betont die Organisation.
Der Massentourismus bereitet Probleme
Ende Mai schrieben Umweltorganisationen in Schleswig-Holstein
einen Brandbrief an das Unesco-Welterbekomitee, in dem sie vor Folgen der geplanten Elbvertiefung warnen. Die Schifffahrtsstraße sei zwar kein Teil des Welterbegebiets, durchschneide es aber, heißt es darin. Das Komitee habe angekündigt, Kontakt zu den Behörden aufzunehmen, sagt der
Nabu-Geschäftsführer in Schleswig-Holstein, Ingo Ludwichowski.
Die Auswüchse des Massentourismus prangert der
Wattenrat in Ostfriesland seit Jahren an. Das Wattenmeer werde als Werbe- und Vermarktungslabel missbraucht, bemängelt Wattenrat-Sprecher Manfred Knake: «Millionenfache Übernachtungszahlen auf den Inseln und den Küstenorten sind eine enorme Belastung, zumal es nur wenig Ranger zur Überwachung gibt.»
Das Wattenmeer ist auch ein Spiegel für den Kampf des Menschen gegen das Meer. Seit Hunderten Jahren schützen sich Anwohner mit Deichen und Warften vor Fluten. Symbol dafür ist
in den Niederlanden der 32 Kilometer lange Abschlussdeich, der seit knapp 90 Jahren die Nordsee von ihrem südlichsten Teil, der Zuiderzee, abschließt.
Es entstand das Ijsselmeer. Doch angesichts des Klimawandels reicht selbst dieses Jahrhundertbauwerk nicht mehr aus und wird nun umfassend erneuert. Auch Schleswig-Holstein hat auf die Herausforderung des Klimawandels bereits reagiert und eine
Wattenmeer-Strategie 2100 entworfen.
(dpa)