Warum auch kleine Portoerhöhungen die Gemüter erregen

Bonn – Ob es 10 Cent mehr werden, 20 Cent mehr oder ein anderer Betrag, ist noch nicht offiziell bekannt. Klar ist aber: Das Briefporto soll zum 1. Juli steigen. Die Deutsche Post hat bereits den Druck neuer Marken in Auftrag gegeben.

Seit sie im vergangenen Jahr die Portoerhöhung bei der Bundesnetzagentur beantragt hat, wird über den geplanten Aufschlag, der fast jeden Bürger trifft, heftig diskutiert.

Warum ist das so? Stefan Schulz-Hardt verweist auf die Vergangenheit der Deutschen Post. «Die Tatsache, dass die Post ein ehemaliger Staatskonzern ist, könnte hier eine wichtige Rolle spielen», sagt der Professor für Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der Universität Göttingen. «Im Verbund mit anderen Preiserhöhungen wie etwa bei der Deutschen Bahn sowie Steuerlasten, die als zu hoch empfunden werden, stellt sich so leicht beim Bürger das Gefühl ein, der Staat schröpfe ihn und ziehe diese Schraube immer weiter an.»

Ausgaben der Haushalte

Dabei geben die Haushalte in Deutschland gar nicht so viel Geld für das Porto aus – vor allem, weil sie immer weniger Briefe schreiben. Im vergangenen Jahr hat die Deutsche Post nur noch eine Milliarde Briefe und Postkarten von privaten Absendern zugestellt, zehn Jahre zuvor war es etwa ein Drittel mehr.

Die Ausgaben eines Durchschnittshaushalts für das Porto sind entsprechend gesunken: von monatlich 3,32 Euro im Jahr 2009 auf 2,34 im Jahr 2017, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Zum Vergleich: Für Telekommunikationsdienstleistungen hat der Durchschnittshaushalt den Statistikern zufolge 2017 pro Monat 53,27 Euro ausgegeben, darin sind 18,44 Euro für den Mobilfunk enthalten.

Sicht des Wirtschaftspsychologen

Dass die Verbraucher dennoch sensibel auf Portoerhöhungen reagieren, hat aus Sicht des Wirtschaftspsychologen Schulz-Hardt vor allem zwei Gründe. Bei der Reaktion auf Preiserhöhungen mache es erfahrungsgemäß einen Unterschied, «ob man die Preise direkt wahrnimmt, indem man sie bar oder mit der Karte im Laden bezahlt, oder ob sie mehr oder weniger automatisch und kontinuierlich abgebucht werden». Bei Bar- und Kartenzahlungen, wie etwa beim Briefporto, «ist die Reaktion stärker, weil man direkter mit der Preissteigerung konfrontiert ist».

Außerdem werde «bei kleineren Beträgen stärker auf die relative als auf die absolute Preissteigerung geachtet», betont der Wissenschaftler. Die absoluten Mehrausgaben seien zwar eher gering, «aber prozentual sieht das schon anders aus». Schlägt die Post auf die Marke für den Standardbrief nur 10 Cent auf, wäre das immerhin ein Plus von fast 15 Prozent. Schon bei der Portoerhöhung von 62 auf 70 Cent im Jahr 2016 hatte die Post kräftig zugelangt. Erstmals seit 2010 sei der Briefpreis stärker als der Verbraucherpreisindex gestiegen, heißt es im jüngsten Jahresbericht der Bundesnetzagentur.

Löwenanteil entfällt auf Firmenkunden

Die privaten Briefe machten im vergangenen Jahr nur noch etwa 13 Prozent der gesamten von der Post transportierten Briefsendungen (ohne Werbepost) aus. Der Löwenanteil entfällt auf Firmenkunden, die aber nicht das volle Porto zahlen, sondern Rabatte erhalten. Hier sehen Verbraucherschützer einen weiteren Grund für Empörung von Postkunden. Das Briefporto verursache bei einem Durchschnittshaushalt zwar nur geringe Ausgaben. «Preiserhöhungen werden aus unserer Sicht aber trotzdem sehr emotional diskutiert, weil sie auch wegen der Rabatte für Großkunden oft als ungerecht empfunden werden», sagt Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale NRW.

Husemann nennt noch einen zweiten Grund: «Auch die Intransparenz bei der Genehmigung von Preiserhöhungen trägt zur Verärgerung der Verbraucher bei.» Diesmal war das Verfahren aus Sicht von Kritikern besonders ärgerlich. «Was da abläuft, ist schon eine Frechheit», schimpfte der Wettbewerbsrechtler Prof. Justus Haucap in der Tageszeitung «Welt».

Die Bundesnetzagentur wollte der Post ursprünglich nur einen Preiserhöhungsspielraum von 4,8 Prozent zugestehen. Das war der Post zu wenig, das Bundeswirtschaftsministerium ließ die ihm unterstellte Behörde neu rechnen. Heraus kam ein mit 10,6 Prozent mehr als doppelt so großer Rahmen für Erhöhungen. Wenn die Netzagentur diesen Wert in den kommenden Tagen endgültig bestätigen sollte, kann die Post entscheiden, wie stark sich die einzelnen Briefarten verteuern.

Briefarten

Portoerhöhungen haben in den vergangenen Jahren aber fast ausschließlich den Standardbrief getroffen, der sich laut Netzagentur seit 2010 von 55 Cent auf 70 Cent verteuerte. Postkarten (45 Cent) und der bis 500 Gramm schwere Großbrief (1,45 Euro) kosten dagegen noch genau so viel wie 2010. Das Porto für einen Kompaktbrief sank in diesem Zeitraum sogar um 5 auf 85 Cent.

Unabhängig davon, wie stark sich das Briefporto verteuert, es dürfte als übertrieben wahrgenommen werden, vermutet Wirtschaftspsychologe Schulz-Hardt. Forschungen hätten gezeigt, dass Menschen dazu neigten, «das Ausmaß von Preissteigerungen zu überschätzen, wenn sie starke Erhöhungen erwarten». Das könne auch beim Briefporto eine Rolle spielen, «da ja einige Medien schon frühzeitig berichteten, hier könne es zu einer besonders ausgeprägten Preiserhöhung kommen».


(dpa)

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