Trauma dauert an: HSV versackt nach Blamage in Liga zwei

Hamburg – Beim Hamburger SV wird die Zweitklassigkeit zur Dauerplage. Nach dem Abstieg vor zwei Jahren muss der einstige Europapokalsieger und sechsmalige deutsche Meister erneut eine Strafrunde in der 2. Fußball-Bundesliga drehen.

Durch eine 1:5 (0:2)-Demütigung im Heimspiel gegen den SV Sandhausen schaffte es der HSV am letzten Spieltag nicht mal mehr in die Relegation. Und das, obwohl Konkurrent 1. FC Heidenheim beim Zweitliga-Meister Arminia Bielefeld mit 0:3 unterging. Am Ende blieb nur Platz vier wie im Vorjahr.

Die Rückkehr in die Bundesliga wird offensichtlich zum Trauma. So kompliziert hat sich der einstige Erstliga-Dino, der als Gründungsmitglied 55 Jahre der Eliteliga angehörte, das Unterfangen nicht vorgestellt. Im Vorjahr von Paderborn, Köln und Union Berlin distanziert, diesmal von Bielefeld, Stuttgart und Heidenheim überrannt. Wäre Ex-Vorstandschef Bernd Hoffmann noch im Amt, hätte er wohl Gift und Galle gespuckt. Im Vorjahr sprach er vom «überflüssigsten Nicht-Aufstieg der Fußballgeschichte» und einem kollabierten Sportsystem. Was wäre ihm diesmal eingefallen?

Die Bilanz der Hamburger in dieser Saison ähnelt der des Vorjahres: gut gestartet, schwach gelandet. Wie in der vergangenen Spielzeit brachen sich mit zunehmender Dauer Fehler Bahn. Beobachter rätseln: Sind es nun qualitative Grenzen, an die die Mannschaft stößt, oder sind es mentale Probleme, die das Team daran hindern, die eigentlich vorhandene Qualität im Wettkampf abzurufen? Die desolate Leistung gegen Sandhausen ließ auf Nervenflattern schließen, in der Struktur und Selbstvertrauen zerbröselten. «Die Beine waren schwerer, die Köpfe langsamer», sagte Vereinspräsident Marcell Jansen. «Es ist durch nichts zu entschuldigen.»

Die erneute Pleite ist umso erstaunlicher, weil die Mannschaft in dieser Saison nahezu ein komplett anderes Gesicht erhalten hat. Cheftrainer Hannes Wolf ging, der bundesligaerfahrene Dieter Hecking kam, Sportchef Ralf Becker ging, Hoffnungsträger Jonas Boldt von Bayer Leverkusen kam. 15 Spieler wurden geholt, eine ähnliche Zahl verließ das Team. Die Probleme sind jedoch geblieben. In dieser Saison war die Spezialität der Hamburger, in der Nachspielzeit Gegentore zu kassieren. Allein nach der Corona-Pause unterlief ihnen das in neun Partien fünf Mal, darunter gegen Stuttgart und Heidenheim. Sechs Punkte wurden so verschenkt.

Das Abwehrverhalten der Mannschaft ist nicht da, wo es Hecking haben möchte. Insbesondere die Innenverteidigung mit Rick van Drongelen und Timo Letschert, aber auch in Vertretung mit Gideon Jung, Jordan Beyer und Ewerton leistete sich reihenweise Patzer. Die Entwicklung des Teams blieb stehen. Heckings Versuch mit der Dreierkette ging in die Hose, das Umkehrspiel wurde häufig verschleppt, Rückpass ging vor Tempo. Einige Profis wie Bakery Jatta und Adrian Fein erlebten einen rasanten Leistungsschwund.

Eines entwickelte sich jedoch positiv: Früher fehlte es dem HSV an Dominanz auf dem Feld, so wurden Spiele letztlich glücklich gewonnen. Diesmal diktierte das Team häufig das Geschehen auf dem Rasen, konnte das aber trotz der 62 erzielten Tore nicht in einen deutlichen Vorsprung ummünzen und lief im Finish Gefahr, alles zu verspielen.

Der Trainer, dessen Vertrag sich nur beim Aufstieg automatisch verlängert hätte, will bleiben. Er will die Mission Aufstieg in der nächsten Saison vollenden. Sportvorstand Boldt und Präsident Jansen tendieren auch dazu. Was über Jahre beim HSV fehlte, ist Kontinuität. Seit 2010 sind 13 Trainer ausprobiert worden, alle hatten ihre eigenen Vorstellungen von Spielsystemen und Spielertypen. Das Personalkarussell drehte auf Hochtouren, die geradezu haltlose Geldverbrennung wurde zumeist auf Pump organisiert. Boldt, Jansen und Finanzvorstand Frank Wettstein wollen dem Einhalt gebieten. Damit Ex-Chef Hoffmann nicht recht behält, als er sagte: «Wir sind seit Jahren im permanenten Krisenmodus.»

© dpa-infocom, dpa:200628-99-595649/2


(dpa)

(dpa)