Senioren als Streitschlichter auf dem Schulhof
Frankfurt/Main (dpa/lhe) – Ein Container steht an der Seite des Schulhofs. Daran ein Zettel: «Ihr habt Euch gestritten und findet keinen Ausweg? Etwas bedrückt dich, und du hast keinen zum Reden?
Dann komm zu uns.» Uns – das sind in diesem Fall Ingrid Erlewein und Ernst Kucharczyk. Die beiden Senioren sind ehrenamtlich als Streitschlichter an der
IGS-Gesamtschule in Frankfurt-Eschersheim im Einsatz. «Alles was die Schüler uns anvertrauen bleibt vertraulich», versichert Kucharczyk.
Der 69-Jährige hat früher als Bereichsleiter in einer Bank gearbeitet. «Kurz vor der Rente habe ich mir gedacht: «Wenn ich aufhöre, muss ich etwas Sinnvolles machen.»» Durch einen Zeitungsartikel sei er dann auf das Projekt Seniorpartner in School (
SiS) gestoßen. «Den meisten von uns geht es darum, etwas an die Gesellschaft zurückzugeben», ergänzt Erlewein, die mal als Lehrerin tätig war. An der neuen Aufgabe habe sie gereizt, jetzt näher an die Schüler heranzukommen.
Aktiv an 200 Schulen
Der Verein SiS wurde 2001 in Berlin gegründet und finanziert sich größtenteils durch Fördergelder. Erst kürzlich hat die Spendenbewegung «Deutschland rundet auf» 300 000 Euro zur Verfügung gestellt. Seit der Gründung wurden bundesweit etwa 1300 Mediatoren ausgebildet. Die Ehrenamtlichen sind an rund 220 Schulen aktiv.
Hessenweit sind aktuell um die 80 Senioren im Einsatz, bislang im Raum Frankfurt, Gießen und Marburg. Interessierte seien sehr willkommen. «Momentan ist es schwierig, Leute zu rekrutieren», sagt Kucharczyk.
Aber wie wird man Streitmediator? Die Rentner werden in einer 80 Stunden umfassenden Ausbildung auf ihre Tätigkeit vorbereitet. «Uns ist Beständigkeit wichtig», betont er. Wer die Ausbildung mache, solle mindestens zwei Schuljahre dabei bleiben. Später kämen Fortbildungen hinzu. Eine Schulung beschäftige sich beispielsweise mit dem Phänomen Cybermobbing. Solche Attacken über das Netz seien schon grausam, auch weil man keinen räumlichen Abstand bekomme, erklärt der 69-Jährige. «Wir hatten hier zum Glück noch keine Fälle».
Erlewein und Kucharczyk kommen einmal in der Woche an die Frankfurter Gesamtschule. So auch an einem Vormittag im Februar. Pausenzeit, das Wetter ist eher ungemütlich, doch die Kinder und Jugendlichen tollen auf dem Schulhof. Bälle fliegen durch die Luft, es wird gelacht, getobt und geschrien. Mittendrin die beiden Senioren. Sie schlendern über den Hof. Mal werden sie dort direkt angesprochen, mal kommen die Schüler zu ihnen in den Container.
Meist geht es um typische Konfliktfälle, wie die beiden berichten. Das seien Beziehungsprobleme («Der spielt nicht mehr mit mir, der lässt mich links liegen»). Aber auch üble Beleidigungen oder körperliche Angriffe. Für die Gespräche mit und zwischen den Kindern gibt es klare Regeln. Dazu gehört, sich ausreden zu lassen, einander zuzuhören und respektvoll im Umgang miteinander zu sein. «Optimalerweise vermitteln wir bei den Gesprächen und strukturieren und die Schüler finden dann selbst eine Lösung», so Kucharczyk.
Senioren bieten geschützten Raum
«Wir sagen immer wieder: wir sind weder Richter noch Therapeuten», erklärt er. «Wir nehmen die Kinder, wie sie sind. Ohne zu werten». Mitunter könnten die Senioren aber auch an Grenzen stoßen. «Beispielsweise bei seelischem Leid. Da können wir nur dazu ermutigen, professionelle Hilfe zu suchen.»
Schulleiterin Irmi Long begrüßt die Arbeit der Mentoren. «Das ist ganz wichtig für die Kinder», sagt sie. Die Senioren würden einen geschützten Raum anbieten, in dem sich die Kinder öffnen könnten. «Natürlich ersetzt das nicht die Schulaufsicht, aber das ist auch nicht die Aufgabe.»
Neben Ingrid Erlewein und Ernst Kucharczyk von SiS seien an der Frankfurter Schule auch noch Ansprechpartner von der Jugendhilfe im Einsatz. «Je mehr Angebote es gibt, umso besser», meint Long. Und sicher gebe es auch Kinder, die sich bei älteren Menschen besonders aufgehoben fühlten und da besser Vertrauen fassen könnten.
(dpa)