Reisen mit dem Bulli sind Abenteuer auf vier Rädern
Berlin – Ein einsamer Bulli auf der Landstraße im Nirgendwo, auf dem Dach ein Surfbrett. Die Bikini-Schönheit am Strand vor ihrem nostalgischen VW-Bus. Bald fünf Millionen Bilder sind unter dem Stichwort #vanlife auf Instagram zu finden.
Das Leben im Van und noch mehr das Reisen mit dem Bulli ist zum Lifestyle-Trend geworden. Paul Nitzschke, der wohl erfolgreichste deutsche «Vanlifer», weiß, was diese Form des Reisens ausmacht und wie Anfänger das Lebensgefühl Vanlife im Urlaub erleben können.
Entschleunigung und Freiheit
Mit Nutzerzahlen im sechsstelligen Bereich ist sein Blog
Passport Diary nach eigenen Angaben Deutschlands größtes Magazin über das Vanlife. Seine E-Books rund um den Camperausbau verkaufen sich gut, auf Instagram folgen ihm 31 000 Menschen.
Beim Vanlife geht es um Entschleunigung. Wenn Nitzschke in seinem alten Mercedes-Bus mit 72 PS den Pamir-Highway in Tadschikistan hinaufkriecht, ist Geduld gefragt. Es geht um die Freiheit, jeden Tag aufs Neue zu entscheiden, wo es hingehen soll.
Damit bediene das Social-Media-Phänomen eine Reihe aktueller Trends, schreibt das US-Magazin «The New Yorker». Die Sehnsucht nach Naturverbundenheit, Selbstverwirklichung und Einfachheit, aber auch eine bessere Work-Life-Balance gehören dazu.
«Ich kann den Schlüssel umdrehen, losfahren und überall hinkommen. Das ist ein sehr selbstbestimmtes Reisen», sagt Nitzschke. «Man ist draußen in der Natur und lässt die Seele baumeln.»
Campingplätze sind verpönt
Zum Vanlife, wie es auf Instagram inszeniert wird, gehört der Stellplatz in der Natur. Die Bullis stehen an einsamen Stränden, unter dem Sternenhimmel in der Wüste, am spektakulären Bergsee. Natürlich ohne andere Fahrzeuge. Oft ist die Kulisse zu schön, um wahr zu sein. Campingplätze sind in der Community verpönt.
«Was ich früher mit meinen Großeltern gemacht habe, der Wohnmobilurlaub in Spanien, hat einfach ein Image-Problem. Diese spießbürgerliche Art, seinen Urlaub zu verbringen, entspricht nicht dem Zeitgeist der Menschen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren», ist sich Nitzschke sicher. «Aber im Endeffekt beruhen Camping und Vanlife auf demselben Grundprinzip. Vanlife ist durch den Verzicht auf feste Plätze nur ein bisschen selbstbestimmter.»
Der 31-Jährige ist hauptsächlich in Osteuropa und Zentralasien unterwegs, in einer Region, in der Wildcampen oft geduldet wird. Doch auch für andere europäische Ziele und Destinationen weltweit gibt es Apps wie ioverlander oder park4night, die die Stellplatzsuche vereinfachen und legale Übernachtungsmöglichkeiten auflisten.
Trend aus den USA
«Vanlife ist eine moderne Art des Campings. Wer das nicht mag, für den wird das Vanlife auch nichts sein», ist Nitzschke überzeugt. Schließlich geht es bei dieser Art des Reisens auch um materiellen Minimalismus. Der Platz ist begrenzt.
Nitzschke ließ sich vom Vanlife-Trend in den USA inspirieren. Seit zwei Jahren hat er keine eigene Wohnung mehr, 25 Länder bereiste er in dieser Zeit mit seinem Bus. «Für mich ist es jetzt Komfort, mein Zuhause immer dabei zu haben. Ich habe meine Küche, in der ich kochen kann. Ich habe ein tolles Bett. Diese Art von Reisen bedeutet keinen großen Verzicht», sagt er.
Alle Altersklassen sind vertreten
Neben den Millennials, zwischen 1980 und 2000 geboren, gibt es auch Familien und Rentner, die ständig oder ein paar Wochen im Jahr im Camper-Van, Bulli oder Kombi leben. Sie alle vernetzen sich über die von Paul Nitzschke gegründete Initiative
Vanlife Germany.
Ganz nebenbei erlebt auch das klassische Caravaning einen nie gekannten Aufschwung: Laut Caravaning Industrie Verband (CIVD) verreisen inzwischen mehr als drei Millionen Deutsche mit dem Reisemobil oder Caravan. Im Jahr 2018 wurden mehr solcher Fahrzeuge zugelassen als jemals zuvor. Da fehlt nur noch der passende Hashtag.
Literaturtipp:
Paul Nitzschke: Camper-Ausbau – Ratgeber für dein eigenes Haus auf Rädern (E-Book). Erhältlich im Netz unter https://selbstausbau-wohnmobil.com/ebook
(dpa/tmn)