Pokal-Pleite für Ronaldo – Neapel feiert ohne Corona-Abstand
Rom – Szenen wie diese sollten eigentlich unbedingt vermieden werden. Doch im Freudenrausch über den Pokalsieg des SSC Neapel gegen Juventus Turin feierten massenweise Fans in der süditalienischen Stadt, als hätte es Corona und mehr als 34.000 Tote in Italien nie gegeben.
Trainer Gennaro Gattuso hatte den Neapolitanern zu ihrem sechsten Pokal-Sieg verholfen – mit einem 4:2-Sieg im Elfmeterschießen gegen Juventus Turin. Der erste Titel nach der mehr als drei Monate langen Corona-Auszeit in Italien wurde wegen mangelnde sozialer Distanz aber gleich wieder zum Streitfall.
Von einem «unglücklichen» Schauspiel sprach Ranieri Guerra von der Weltgesundheitsorganisation WHO im Sender Rai. «Es tut weh, solche Bilder zu sehen.» Man könne von Glück reden, dass die Feier in Neapel und nicht in Norditalien stattgefunden habe. Dort grassierte das Virus im Gegensatz zum Süden sehr stark.
Gattuso ließ sich dennoch feiern. Gerade hatte der Ex-Nationalspieler seine Schwester verloren. Das Leid war ihm noch ins Gesicht geschrieben, als er den Pokal in der Hand hielt. Während Neapel um den früheren Leipziger Diego Demme verdient siegte, enttäuscht Juventus mit Superstars wie Cristiano Ronaldo. Nur Torwart-Legende Gianluigi Buffon war für die «Alte Dame» auf dem Posten. Für Juventus-Trainer Maurizio Sarri wird es zum Neustart der Serie A am Samstag eng.
Nach dem 0:0 in der regulären Spielzeit gab es im leeren Olympiastadion in Rom wegen Corona keine Verlängerung, es ging direkt ins Elfmeterschießen. Ronaldo durfte gar nicht mehr antreten, nachdem Paulo Dybala an Neapels Torwart Alex Meret gescheitert war und Danilo den Ball über das Tor geschossen hatte.
«Ronaldo und Dybala waren die Schlechtesten», kommentierte die Zeitung «Gazzetta dello Sport». Andere attestierten dem Portugiesen, wie «ein Geist» zu sein. Schlicht unsichtbar. Für einen wie Ronaldo eine schwere Beleidigung. Für den 35-Jährigen läuft der Nach-Corona-Auftakt denkbar schlecht: Im Halbfinale gegen den AC Mailand hatte der Torgarant einen Handelfmeter verschossen.
Der einzige «Brilliante» sei Torhüter Buffon mit seinen 42 Jahren gewesen, befand die «Gazzetta», nachdem Neapel in der regulären Spielzeit mehrmals an ihm gescheitert war. In der Nachspielzeit wehrte er einen Kopfball von Nikola Maksimovic sensationell ab.
Immerhin kann sich Buffon für seinem ehemaligen Teamkollegen bei den «Azzurri» freuen: Zusammen mit Gattuso hatte bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland den WM-Pokal in die Höhe gehoben. Für Gattuso ist es nun der erste große Titel als Trainer.
Juves Chance auf das Triple aus Meisterschaft, Champions League und Pokal sind nun dahin. In der Liga ist das Team um den deutschen Nationalspieler Sami Khedira Tabellenführer, ein Punkt vor Lazio Rom. Neapel liegt auf Rang sechs.
Am Samstag geht es auch in der Liga wieder los. Juve darf nicht patzen. In Fan-Foren lief schon die Diskussion um eine Nachfolge für Trainer Sarri heiß: Manchester-City-Coach Pep Guardiola oder Ex-Juve-Trainer Massimiliano Allegri sind Kandidaten. Sarri sprach nach der Pokal-Pleite von einer «Enttäuschung für die Jungs, den Club und für die Fans» und gab zu: «Uns fehlt derzeit die Brillanz, um das Spiel gefährlich zu machen.» Das muss sich für die erfolgsverwöhnten Turiner ändern. «Der Meistertitel ist jetzt Pflicht», schrieb die Turiner Zeitung «La Stampa».
Die Fußballfans hoffen nach dem Corona-Trauma in Italien auf bessere Zeiten. Zum Liga-Auftakt spielt der FC Turin gegen Parma, gefolgt von Verona gegen Cagliari und am Sonntag Atalanta Bergamo – die Stadt im Epizentrum der Coronakrise – gegen Sassuolo sowie Inter Mailand gegen Sampdoria. Juventus tritt am Montag gegen Bologna an.
(dpa)