Lebenswerk für einen Arbeitersohn: Ecclestones Vermächtnis
London – Ohne Aufsehen verließ Bernie Ecclestone schon so oft die Formel-1-Bühne. Noch vor Rennende wurde der Brite für gewöhnlich zum nächstgelegenen Flughafen chauffiert.
Er, der einst selbst eine Rennfahrer-Karriere einschlagen wollte, aber frühzeitig erkannte, dass sein Geschäftssinn deutlich ausgeprägter war als es sein motorsportliches Talent.
Nur manchmal, da änderte Ecclestone seine (An)-Gewohnheiten, sich noch vor der Zielflagge zu verabschieden. Mit Wladimir Putin schaute sich Ecclestone auf der Tribüne in Sotschi ein Rennen auch schon mal bis zum Ende an. Putin, einer der großen Weltpolitik, ein Mächtiger ganz im Sinne Ecclestones. «Ich denke, mit Demokratie bringt man den Laden nicht zum Laufen», formulierte er mal sein Geschäftsprinzip.
Teilen und herrschen – so regierte Ecclestone die Formel 1. Er widerstand allen Anfeindungen, Revolutionen verhinderte er, indem er die vermeintlich Verbündeten spaltete. Dem Traditionsrennstall Ferrari, als einziger seit WM-Beginn im Jahr 1950 dabei, brachte das lange Zeit eine bemerkenswerte Sonderstellung mit Vetorecht und Sonderzahlungen ein. Machtkämpfe gehörten für Ecclestone zum Tagesgeschäft.
Er legte sich als Chefvermarkter der Formel 1 mit Streckenbetreibern, Teamchefs, Rennställen, Präsidenten des Motorsportweltverbandes und vor wenigen Jahren sogar mit der Justiz an. Vermehrung von Geld und Vergrößerung von Macht waren die Spezialfächer von Bernard Charles Ecclestone, dem Sohn einer Arbeiterfamilie.
Schon als kleiner Junge handelte er mit praktisch allem, was er in die Finger bekam. Sein erstes großes Geld machte er als Gebrauchtwagenverkäufer. Jahrzehnte später saß Ecclestone mit Politikern am Verhandlungstisch und feilschte um Millionenbeträge. «Bernie ist unglaublich auf Zack», lobte einst Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff den Briten, dessen wache Augen auch im hohen Alter immer noch schelmisch hinter seiner Nickelbrille hervor blitzten.
Er überstand lange sämtliche Krisen, er widersetzte sich allen Forderungen nach Konsequenzen, wenn er mal wieder mit politisch unkorrekten Aussagen für mehr als Kopfschütteln sorgte. Er machte seine eigenen Rennserie schlecht, nörgelte über leise Motoren und langweilige Weltmeister. «Wenn man 30 Jahre alt ist, muss man vorsichtig sein, was man tut und was man sagt, weil man noch viel Zeit vor sich hat. Wenn man älter ist, kann man die Dinge etwas leichter nehmen», sagte Ecclestone einmal. Er nahm es oft sehr leicht.
Als Geschäftspartner gab es aber auch viel Lob und Anerkennung für Mister E. Man könne sich auf sein Wort verlassen, hieß es immer wieder. Wirklich negative Worte fielen im Fahrerlager praktisch nie. Alle wussten, Ecclestone hatte sich mehr oder weniger unabkömmlich gemacht. Dachte man immer.
So kam Ecclestone sogar aus dem weltweit beachteten Prozess in München zwar um 100 Millionen Dollar erleichtert raus – aber nicht verurteilt. Das Verfahren gegen ihn war gegen Zahlung dieser Rekordsumme eingestellt worden. «Der Richter hat einen ziemlich guten Job gemacht, dass ich so viel zahlen musste», kommentierte er damals – typisch Ecclestones Humor. Ihm war vorgeworfen, beim Verkauf der Formel 1 einen hochrangigen deutschen Banker bestochen zu haben.
Damals war Ecclestone immer noch der Handelnde, ein ehemaliger Fahrer-Manager, der in seiner langen, langen Zeit in der Formel 1 auch schwere emotionale Rückschläge hinnehmen musste wie die tödlichen Unfälle von Stuart Lewis-Evans (1959) oder Jochen Rindt (1970). Er sah Weltmeister kommen und gehen – nun muss er selbst gehen. «Ich habe immer noch viele Freunde in der Formel 1. Und ich habe noch genug Geld, um mir den Besuch bei einem Rennen leisten zu können», meinte er zum Abschied.
(dpa)