Lahm ist passé: Kimmich greift an – «Jetzt liegt es an ihm»

München – Joshua Kimmich genießt das neue Gefühl beim FC Bayern. Wenn der deutsche Meister am Freitag (20.30 Uhr) in der ausverkauften Münchner Arena gegen Bayer Leverkusen die 55. Bundesliga-Saison eröffnet, dann weiß der 22-Jährige, dass er spielt.

Philipp Lahm ist Geschichte, die Gegenwart und Zukunft beim deutschen Rekordmeister gehört auf der rechten Verteidigerposition Kimmich. «Es ist ein anderes Gefühl, wenn du weißt, dass du am nächsten Tag spielst und nächste Woche auch», sagte der Jungstar.

Trainer Carlo Ancelotti ließ Kimmich im Supercup gegen Borussia Dortmund und beim Pokalerfolg in Chemnitz jeweils 90 Minuten spielen – ein klares Signal. «Da hast du einen ganz anderen Rhythmus, eine ganz andere Sicherheit und Gefühl für die Position», sagte Kimmich danach.

Die WM-Saison soll dem Youngster den endgültigen Durchbruch bringen. Bislang pendelte Kimmich beim FC Bayern zwischen Mittelfeld, Abwehr und Bank, während er in der Nationalmannschaft schon seit der EM 2016 in Frankreich eine feste Größe als rechter Verteidiger ist.

Die Position war im Verein bislang vom Kapitän blockiert. «Kimmich hatte den Philipp Lahm vor sich», erinnerte Präsident Uli Hoeneß: «Hätte man Philipp Lahm, einen der besten Verteidiger der Welt, weglassen sollen, nur um einem jungen Spieler die Chance zu geben?», fragte Hoeneß. Nein, natürlich nicht. «Jetzt ist Philipp weg. Jetzt kriegt Joshua sicherlich die große Chance, beim FC Bayern einen Stammplatz zu kriegen. Jetzt liegt es an ihm», sagte Hoeneß.

Auch Kimmich war nicht immer von der neuen Aufgabe überzeugt. Seine Lieblingsposition war und ist das zentrale Mittelfeld. Aber er hat die Vorteile und Perspektiven des Außenverteidigerjobs in jungen Jahren für sich – im Nationalteam und beim FC Bayern – erkannt.

Kimmichs größter Förderer war zuletzt Joachim Löw. Der Bundestrainer vertraute Kimmich die Lahm-Position in der Nationalelf erstmals vor einem Jahr im EM-Vorrundenspiel gegen Nordirland an. Es war Kimmichs zweites Länderspiel – seitdem hat der gelernte Mittelfeldakteur 19 Länderspiele am Stück über die volle Distanz bestritten.

«Joshua ist für mich eines der allergrößten Talente, das ich in den letzten zehn Jahren gesehen habe. Dem Jo traue ich wirklich eine Riesenkarriere zu», schwärmte Löw während des Confed-Cups in Russland. Beim Gewinn des Turniers spielte Kimmich eine Hauptrolle.

Der frühere Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer sagte vor dem Bundesligastart in seiner neuen Rolle als Eurosport-Experte: «Solche Typen, wie es Jo zweifelsohne ist, braucht der deutsche Fußball.» Er traue Kimmich eine «ganz prägende Rolle» im deutschen Fußball zu. «Er wird in meinen Augen der Führungsspieler», sagte Sammer, der selbst als Profi und Nationalspieler ein anerkannter Führungsspieler war.

Kimmich bringt Talent, Ehrgeiz und Zielstrebigkeit mit. Als Weltmeister Miroslav Klose beim Confed-Cup auf den «stillen Leader» Kimmich angesprochen wurde, korrigierte der Löw-Assistent: «Still würde ich weglassen.» Das sollte heißen: Kimmich weiß, was er will.

Als sich Kimmich beim deutschen 1:0-Sieg im Confed-Cup-Endspiel gegen Chile mit seinem Bayern-Kollegen Arturo Vidal verbal anlegte, zeigte er das auch sichtbar vor einem Millionen-Publikum.

Ein Lahm-Klon will Kimmich nicht sein, auch wenn er dem Weltmeister und Champions-League-Sieger sportlich nacheifern möchte. «Philipp Lahm hat eine großartige Karriere hingelegt beim DFB und bei Bayern. Er ist eine Legende», äußerte Kimmich. Er möchte dennoch eine eigene Geschichte schreiben. «Jeder Spieler möchte seinen Weg gehen.»

Offensiv hat Kimmich mehr drauf als Lahm. Er treibt unaufhörlich an, kann präzise flanken. Dazu ist er torgefährlich. Auf höchstem internationalen Niveau, in der Champions League oder bei der WM 2018, wird der 1,76-Meter-Mann beweisen müssen, dass er auch im Verteidigen Lahms überragende Qualität erreichen kann. Kimmich nimmt die Aufgabe an: «Am Ende ist meine Leistung auf dem Platz entscheidend.»


(dpa)

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