Kroos stellt Pausen ein: Bei Gradmessern konstant dabei sein

Hamburg – Eine Einsatzgarantie von Joachim Löw wie sie Serge Gnabry bekam, braucht ein Toni Kroos nicht. Zum Auftakt in die EM-Saison erklärte sich der Mittelfeldstar von Real Madrid bis zum Turnierhöhepunkt im Sommer 2020 einfach selbst für unverzichtbar.

Der vom Bundestrainer nach dem WM-Desaster 2018 eingeräumte Sonderstatus mit selbst gewählten schöpferischen Pausen ist mit dem wichtigen EM-Qualifikationsspiel der Fußball-Nationalmannschaft gegen die Niederlande am Freitag (20.45 Uhr/RTL) in Hamburg für den 29-Jährigen beendet.

«Es ist jetzt schon so, dass wir mit dem Beginn des EM-Jahres einige Spiele haben, die gute Gradmesser sind und ich da auch konstant und gut dabei sein will und muss, wenn wir Richtung EM gucken», sagte Kroos am Donnerstag. Noch im Juni hatte er in der EM-Qualifikation gegen Weißrussland (2:0) und Estland (8:0) freiwillig pausiert. Bei diesen Gegnern sei man sich einig gewesen, dass es seines Mitwirkens für zwei Siege nicht bedürfe, berichtete Kroos.

Stattdessen feierte er in Köln kurz darauf die Premiere eines recht unkritischen Dokumentarfilms über seine Karriere und machte mit seiner Familie einfach mal länger Urlaub. Nach einer «nicht so erfolgreichen Saison» mit Real Madrid sei er müde gewesen, gestand Kroos und räumte ein, er habe zudem ein «paar Probleme» gegeben, «die ich über die letzten Monate mitgeschleppt hatte».

Jetzt fühlt er sich wieder bereit. Wie im DFB-Team steht auch bei den Königlichen in Madrid ein großer Umbruch an, bei dem er sich selbst beweisen muss. Zum Saisonstart fiel er bei Real mit einem Traumtor auf, aber auch mit einem krassen Fehlpass, der Punkte kostete.

Kroos ist ein Stratege auf und abseits des Platzes. Neben Kapitän Manuel Neuer ist er die einzige verbliebene Weltmeister-Stammkraft aus dem Jubeljahr 2014. Keiner in Löws aktuellem Kader hat mehr Länderspiele (92) absolviert, keiner hat mehr Tore geschossen (14).

Immer wieder sieht sich Kroos, der in Löws neuer Fußball-Boy-Group gelegentlich schon ein wenig verloren wirkt, mit der Frage nach einem möglichen Karriereende im DFB-Trikot nach der EM 2020 konfrontiert. Noch beantwortet er diese ausweichend. Das Los seiner Titelkollegen Mats Hummels, Thomas Müller und Jérôme Boateng, die von Löw im März unerwartet aussortiert wurden, will Kroos mit seinem feinen Gespür für Stimmungen und Schwankungen definitiv vermeiden.

Komfortzonen gibt es in Löws Mittelfeld aber auch nicht mehr, das hat Kroos verstanden. Nach seiner Kadernominierung sagte Löw: «Natürlich plane ich mit dem Toni bis nächstes Jahr zur EM.» Ein Satz der je nach Betonung auf den Satzanfang oder das Satzende die Bedeutung ändert. Zuvor hatte der Bundestrainer im gleichen Zuge Ilkay Gündogan, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Kai Havertz als weitere zentrale Personaloptionen genannt.

Gegen die Niederlande ist Kroos für Löw immer noch ein wichtiger stabilisierender Faktor für eine junge Nationalmannschaft in der Findungsphase. «Grundsätzlich plane ich auch mit dem Toni Kroos, auf jeden Fall, weil der Toni ein Spieler ist, der große Erfahrung hat. Es ist auch wichtig, dass eine Mannschaft jemanden hat, an dem sie sich ausrichtet, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen in einem Spiel», sagte der Bundestrainer.


(dpa)

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