Krise im Eisschnelllauf als Dauerzustand
Pyeongchang – Nachdem auch Claudia Pechstein im Massenstartrennen das schlechteste Olympia-Abschneiden deutscher Eisschnellläufer seit 54 Jahren nicht verhindern konnte, stehen beim Verband nur ungeklärte Fragen im Raum.
«Natürlich müssen wir dafür gemeinsam die Verantwortung übernehmen», sagte Sportdirektor Robert Bartko in Pyeongchang und bezog Cheftrainer Jan van Veen mit ein. Personelle Konsequenzen deutete aber keiner der beiden an.
Ein siebter Platz von Patrick Beckert über 10 000 Meter als beste Einzel-Platzierung und drei achte Ränge in den Einzelrennen sind für die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft noch dürftiger als das historische Negativ-Ergebnis von Sotschi 2014 mit der ersten Olympia-Nullnummer seit 50 Jahren. Mit der Erwartung von zwei bis drei Medaillen war das deutsche Team in Südkorea angetreten. «Es ist ein Jammer», sagte DESG-Ehrenpräsident Gerd Heinze, der vor vier Jahren als Präsident das Abschneiden mit zu verantworten hatte. «Es ist die gleiche Situation wie in Sotschi. Nur offene Fragen.»
An der Eigenwilligkeit der Athleten habe sich nichts geändert. «Ohne ein funktionierendes Team im Training wird es nichts», beklagte Heinze und setzte hinzu: «Die Chemie im Verband stimmt einfach nicht.» Dies bezog er auf die Kommunikationsprobleme zwischen Bartko und seiner Nachfolgerin im Präsidentenamt, Stefanie Teeuwen. «So kann man nicht miteinander umgehen. Man muss einfach kommunizieren.»
Teeuwen wollte sich zu dem Desaster und ihrem angespannten Verhältnis zu Bartko nicht äußern. Sie hatte aber schon vor ihrer Abreise aus Pyeongchang angemerkt, dass der Sportdirektor diese Leistungen nun genau erklären müsse. «Das Präsidium erwartet Antworten», sagte sie. Ob dort personelle Konsequenzen gezogen werden, scheint fraglich.
Van Veen hat jedenfalls die Lust nicht verloren und würde gern seinen Vertrag verlängern. «Ich habe Entwicklungen bei meinen Sportlern gesehen, das hat mir Spaß gemacht.» Nachweisen konnte diese Steigerungen bei Olympia keiner. «Ich glaube aber nicht, dass ich ein totes Pferd gezogen habe», behauptete der Niederländer.
Bartko hatte sich schon zuvor demonstrativ vor ihn gestellt. «Ich sehe nicht die Alleinschuld beim Bundestrainer. Die Personalfrage zu stellen, ist unseriös», erklärte er im ZDF. Auch alle Leistungsträger, die als Eigenbrötler außerhalb des Systems trainieren – Pechstein, Beckert und Nico Ihle – retteten sich nur gerade so in die A-Kader-Förderung. Sie waren aber durchweg mit Medaillen-Ansprüchen zu Olympia angereist und konnten sich ihre Einbrüche nach dem Gewinn von WM-Plaketten im Vorjahr nicht erklären.
Das extrem schlechte Ergebnis wird finanzielle Konsequenzen für den Verband haben. «Wir müssen DOSB und BMI nun von unseren langfristigen Konzepten überzeugen», sagte Bartko. Über die Strukturen soll geredet werden, wie über das Modell der Einzelkämpfer, das laut Bartko nur bis Olympia befristet war. Ziel ist eine Kräftebündelung.
Ein Konzept hat er aber nur für die ferne Zukunft in der Schublade. Dazu soll der Leistungsgedanke stärker im Kindes- und Jugendalter verankert werden. «Wir haben nur sehr wenige Kinder, entscheidend ist aber die Qualität», meinte er. Da es jedoch in den ältesten Jugend-Jahrgängen kaum noch Athleten gibt, die Normen erfüllen, ist das Ende der Dauerkrise nicht abzusehen. «Es wird keine schnellen Erfolge vor 2026 oder 2030 geben», lautete Bartkos Schlussfolgerung.
Die Dümpelei geht also weiter, in Peking 2022 wird das Team noch kleiner und noch erfolgloser sein, heißt dies wohl im bitteren Umkehrschluss. Nicht umsonst freute sich DOSB-Präsident Alfons Hörmann über die Verlängerung der Karriere der 46-jährigen Claudia Pechstein. Nicht ausgeschlossen, dass außer der Eis-Oma bald kaum noch Topleute vorzeigbare Ergebnisse für den Verband holen.
(dpa)