Fall Heinz Müller vor Bundesarbeitsgericht

Erfurt – Die Fußball-Verbände und Vereine schauen am Dienstag mit Spannung nach Erfurt: Das Bundesarbeitsgericht verhandelt die Revision des Falls Heinz Müller.

Es geht dabei vor allem um die Rechtmäßigkeit von befristeten Arbeitsverträgen im Profigeschäft. Eine Entscheidung zugunsten des früheren Bundesliga-Torhüters des FSV Mainz 05 könnte ähnlich weitreichende Folgen haben wie das Bosman-Urteil, das vor über 20 Jahren das Transfersystem revolutionierte.

Bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) als Dachorganisation der 36 Erst- und Zweitliga-Clubs und damit von etwa 1000 Lizenzspielern ist man optimistisch, dass das bisherige System bestehen bleibt. «Die Befristung von Arbeitsverträgen dient (…) zum einen der Wettbewerbsfähigkeit eines Clubs und zum anderen dem Schutz der Integrität und Stabilität des Gesamtwettbewerbs einer Liga insgesamt», argumentiert Jürgen Paepke, DFL-Direktor Recht.

Der inzwischen 39 Jahre alte Müller will nach Angaben seines Frankfurter Anwalts Horst Kletke selbst zur Verhandlung (Beginn 11.15 Uhr) erschienen. Der Ex-Keeper hatte 2012 noch einmal einen Zweijahresvertrag bei den Mainzern unterschrieben, der sich nach 23 Einsätzen um ein weiteres Jahr verlängert hätte. Da ihn Trainer Thomas Tuchel damals in die Mainzer U23-Mannschaft verbannte, sah sich Müller um diese Chance gebracht. Er verklagte den Verein auf Lohn- und Prämienfortzahlung – und bekam 2015 in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Mainz überraschend recht.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz aber kassierte im Februar 2016 den Entscheid in dem brisanten Rechtsstreit. Der damalige Mainzer Clubchef und Anwalt Harald Strutz sah dies als einen Erfolg nicht nur für Mainz 05, sondern «für den gesamten Profisport». Dort sind Zwei-, Drei- oder Vierjahresverträge üblich. Alles darüber hinaus gilt bereits als Rentenvertrag in der schnelllebigen Branche.

In Erfurt geht es nicht nur um die von Müller geforderten 261 000 Euro an Prämien, sondern der Kläger wendet sich auch gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses. Die Spielergewerkschaft VdV fordert schon seit langem eine Art Tarifvertrag für Profis, um Rechtssicherheit zu schaffen. «Offensichtlich wollen die Clubs zunächst den Ausgang des Verfahrens abwarten. Damit gehen sie ein hohes Risiko ein», warnte Geschäftsführer Ulf Baranowsky bereits nach dem Urteil des Landesarbeitsgerichts.

Die Begründung damals: Die Eigenart der Arbeitsleistung bei Profifußballern. Paepke sieht darin einen «sehr vielfältigen Befristungsgrund» und verweist auch auf entsprechende Urteile des Bundesarbeitsgerichts bei Verträgen von Schauspielern einer Krimiserie. Fußballern unterlägen zudem «körperlichem Verschleiß und einer zumeist altersbedingten Minderung der Leistungsfähigkeit».

Klaus Fichtel hält zwar mit 43 Jahren den Altersrekord in der Bundesliga, und der derzeitige Senior ist Kölns Stürmer Claudio Pizarro mit 39. Doch überspitzt gesagt: Das millionenschwere Profigeschäft ist kein Gnadenhof, und niemand kann einen Vertrag bis 65 bekommen.

«Das Urteil könnte schwere Folgen für die Bundesliga nach sich ziehen, nämlich Rentenverträge für Profikicker», schrieb nach der zugelassenen Revision das Fachmagazin «Kicker». Bei Rentenverträgen könnten die Spieler zudem fristgerecht kündigen und jedes Jahr ablösefrei den Verein wechseln. Knackpunkt vor dem Bundesarbeitsgericht ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das eine Kette von befristeten Verträgen verhindern soll.

Eine außergerichtliche Einigung zwischen Müller und Mainz 05 war nicht zustande gekommen. Möglicherweise wird sich sogar noch der Europäische Gerichtshof mit dem Fall beschäftigen. Bei diesem Gedanken schrillen bei den Vertretern des Fußballs alle Alarmglocken: Bei der Klage des belgischen Fußballers Jean-Marc Bosman hatte der Gerichtshof einst entschieden, dass Profis nach Ablauf ihres Vertrages ablösefrei wechseln können.

Müllers Anwalt Kletke ließ offen, ob bei einem entsprechenden Urteil ein ähnlicher Schritt möglich ist: «Wir haben die Gegenseite mit all unseren Standpunkten detailliert dargelegt. Jetzt ist das Gericht am Zug. Wir wollen nicht spekulieren.»


(dpa)

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