Die Widrigkeiten des Lebens annehmen
Berlin – Als Dörte Foertsch damals, Mitte der 1970er, mit der Schule fertig war, lief erstmal gar nichts wie geplant. Eigentlich wollte sie direkt an die Uni. «Aber ich hab‘ mein Abitur vermasselt und keinen Studienplatz bekommen. Im Nachhinein war das ein absoluter Vorteil», sagt sie.
Die Psychologin machte ein Freiwilliges Soziales Jahr in den USA. Wenig später studierte sie und leitet inzwischen das Berliner Institut für Familientherapie.
Dass Dinge im Leben anders laufen als geplant – das kennt jeder. Aber jeder geht anders mit kleinen Pannen oder Rückschlägen um. Der eine ärgert sich den ganzen Tag, wenn der Bus morgens zu spät war und er deshalb einen Termin verpasst hat. Der andere kann das schnell abhaken. Doch wie schafft man es, die Dinge anzunehmen, wenn alles ganz anders kommt?
Für Foertsch ist das eine sehr grundlegende Einstellung, die schon im Kindesalter geprägt wird durch Erzählungen und Verhalten der Eltern und Großeltern. So hat jeder seinen eigenen Blick auf Rückschläge und nicht erfüllte Wünsche.
Menschen unterscheiden sich darin, wo sie die Ursachen für Misslagen sehen und wem sie Verantwortung zuschreiben, meint auch Prof. Bernhard Leipold von der Universität der Bundeswehr in München. Gerade kleine Versäumnisse im Alltag werden mitunter aufgebauscht – dann heißt es, sich nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Da können Entspannungsübungen oder autogenes Training helfen, manche fühlen sich ausgeglichener durch Sport, andere machen Musik.
Gerade nach schweren Schicksalsschlägen oder wenn ein Lebenstraum begraben werden muss, sollte man sich aber die Zeit zu nehmen, darum zu trauern, findet Foertsch. «Das ist sehr wichtig – noch vor dem Punkt, das Positive zu überdenken.»
Ganz wichtig ist, nicht verbittert zu sein, nicht im Grübeln gefangen zu bleiben. Wer sich ständig bemüht, Kontrolle über bestimmte Gefühle und Gedanken zu bekommen, bei dem verschlimmern sich die Trauer und Resignation auf Dauer oft, erklärt Psychologe Matthias Wengenroth. Diese Kontrollversuche können unterschiedlich aussehen – etwa «Rückzug, ständiges Grübeln, das Vermeiden angstbesetzter Situationen oder die Benutzung von Drogen und Alkohol.»
Wengenroth beschäftigt sich mit einem noch relativ neuen Ansatz in der Psychotherapie – der Akzeptanz- und Commitmenttherapie, kurz ACT. «In der Therapie wird an einem freundlich-akzeptierenden Umgang mit sich selbst in schwierigen Momenten gearbeitet, dem Selbstmitgefühl sowie an der Fähigkeit, schwierige Gedanken zu entschärfen», erklärt Wengenroth, der auch mehrere Bücher zum Thema geschrieben hab.
Bei dieser Form der Therapie sollen die Betroffenen lernen, genau hinzuschauen und sich mehrere bestimmte Fragen zu stellen, wie Wengenroth erklärt: Was ist gerade so schwierig für mich? Wie gehe ich damit um? Ist das, was ich mache, um diese Reaktion unter Kontrolle zu bekommen, wirklich hilfreich?
Durchkreuzte Pläne gehören zum Alltag, und man muss lernen, das Unausweichliche zu akzeptieren, erläutert Prof. Leipold, der unter anderem zur Stressbewältigung und Entwicklung von Resilienz, also Widerstandskraft, im Erwachsenenalter forscht. «Hilfreich dabei ist, wenn man sich neuen Projekten zuwendet und sich Ziele setzt, die man erreichen kann.»
Literatur:
Matthias Wengenroth: «Das Leben annehmen. So hilft die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT)», Huber Verlag, 308 Seiten, 24,95 Euro, ISBN-13: 9783456856834.
(dpa/tmn)