Das Comeback der Reparaturen
München – Für Hobby-Schrauber war ein Röhrenfernseher einst ein schöner Zeitvertreib. Das große Gehäuse ließ sich schnell öffnen, die Technik im Inneren leicht durchschauen. Defekte Teile waren rasch ersetzt. Wer sich nicht selbst getraut hat, brachte das Gerät zur nächsten Werkstatt.
Doch bei heutigen Handys, Laptops oder eben Fernsehern dürfte die Meisten schnell der Mut verlassen. Sie haben Glück, wenn es überhaupt noch Schrauben zum Öffnen der Geräte gibt.
Teure Ersatzteile
Die zunehmende Komplexität moderner Elektro-Artikel ist auch für Profis ein Problem, wenngleich aus anderen Gründen: «Für moderne Fernseher gibt es einfach keine Ersatzteile mehr», sagt Ugur Türkoglu. «Und wenn, dann sind sie sehr teuer.» Türkoglu ist Sprecher des Internetportals Vangerow in Reutlingen. Es vernetzt freie Werkstätten miteinander und ermöglicht Kunden die Suche danach.
Türkoglus Vorwurf richtet sich an die Hersteller, die es den Werkstätten immer schwerer machten, erschwingliche Ersatzteile zu erhalten. Das mache die Reparatur so teuer, dass sie sich kaum noch lohne. Die spezialisierten Werkstätten kämen deshalb mit Fernsehreparaturen allein heute kaum noch über die Runden, sagt Türkoglu. Seine persönliche Schätzung: «Heute gibt es gefühlt vielleicht noch 10 oder 20 Prozent der Fernseh-Reparaturwerkstätten, die es vor zehn Jahren gab.»
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass es in Deutschland rund 46.000 Handwerksbetriebe gibt, die sich allein auf Reparaturdienstleistungen spezialisiert haben – Kfz-Betriebe eingerechnet. Sie standen demnach im Jahr 2014 für rund sechs Prozent des handwerklichen Gesamtumsatzes. Doch vor allem bei Unterhaltungselektronik wird es für die Betriebe immer schwieriger.
Viele kaufen einfach ein neues Gerät
Statt das defekte Gerät reparieren zu lassen, entsorgen es viele Verbraucher einfach. Für den gleichen Kaufpreis kriegen sie inzwischen einen größeren Fernseher. «Durchschnittlich 720.000 Tonnen Altgeräte pro Jahr sind in den letzten acht Jahren alleine in privaten Haushalten in Deutschland angefallen», schätzt das Bundesumweltamt. Darunter fallen neben Fernseh-Geräten weitere Unterhaltungselektronik sowie Groß- und Kleingeräte wie Kühlschränke, Waschmaschinen, Staubsauger oder Mikrowellen.
Obwohl laut Gesetz die Geräte in den Kommunen gesammelt und von den Herstellern zurückgenommen werden müssen, landen viele von ihnen in Nicht-EU-Ländern wie Ghana. Dort werden die Geräte repariert und weiter verwendet, bis sie schließlich auf Deponien landen, wo sie der Umwelt und den dort lebenden Menschen große Probleme bereiten.
Reparatur im Repair-Café
Die Reparatur erlebt seit einigen Jahren in Deutschland auch deshalb ein Revival. «Wir sprechen von einer wachsenden zivilgesellschaftlichen Bewegung», sagt Linn Quante vom Netzwerk
Reparatur-Initiativen. Mehr als 1000 sogenannte Repair-Cafés listet das Netzwerk inzwischen in Deutschland. «Als wir 2013 angefangen haben, das Netzwerk konkreter aufzubauen, gab es vielleicht 50 Projekte.»
In den Cafés helfen sich Menschen ehrenamtlich dabei, Wasserkocher, Kaffeemaschinen und Co. wieder flott zu machen. Je nach Know-how der Teilnehmer haben sich viele der Initiativen spezialisiert: Fahrräder, Elektrogeräte oder Kleidung sind nur einige Beispiele. «Es gibt in der Gesellschaft eine zunehmende Sensibilität dafür, dass man Sachen auch reparieren kann», sagt Quante.
Viele der Initiativen kooperieren vor Ort mit den noch bestehenden Werkstätten. Als Konkurrenz nehmen sich die beiden Seiten nicht wahr. Doch auch Quante kritisiert, dass sich moderne Elektrogeräte kaum noch reparieren lassen. Bei vielen fänden sich nicht einmal mehr Schrauben, mit denen sie sich öffnen ließen. Die
Verbraucherzentrale NRW fragte Ende 2017 bei den Herstellern nach und konstatierte erhebliche Hindernisse bei der Reparatur von Haushaltsgeräten.
Der Runde Tisch Reparatur
Um diesem Trend entgegenzuwirken, gibt es inzwischen den
Runden Tisch Reparatur, an dem neben dem Reparatur-Netzwerk und
Vangerow zahlreiche Verbraucher- und Umweltverbände sowie Werkstätten sitzen. «Nur die Herstellerseite ist nicht vertreten», kritisiert Quante.
Inzwischen verweist der Runde Tisch auf erste Erfolge: Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht vor, den sogenannten Designschutz bei Ersatzteilen für Reparaturzwecke zu lockern. Sichtbare Ersatzteile, die bislang aufgrund des Schutzes sehr teuer waren, könnten auf diese Weise günstiger werden. Das Thema Reparatur treibt also längst auch die Politik um.
(dpa)