Bayern und Mecklenburg-Vorpommern im Reiseduell
Berlin – Mecklenburg-Vorpommern vor Bayern: Wenn die Deutschen im eigenen Land für mehr als nur ein paar Tage Urlaub machen, dann am liebsten in einem dieser beiden Bundesländer.
Mecklenburg-Vorpommern hat dabei seit drei Jahren die Nase vorn, wie die Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) zeigt: 5,3 Prozent aller Urlaube von mehr als fünf Tagen Dauer verbrachten die Deutschen 2018 in Mecklenburg-Vorpommern. Bayern kommt auf 4,7 Prozent Anteil.
Da stellen sich Fragen: Kratzt das die Bayern eigentlich? Und wie möchte sich Mecklenburg-Vorpommern an der Spitze halten? Der dpa-Themendienst hat Vertreter beider Länder an einen Tisch gebeten – gewissermaßen auf neutralem Boden: Das Gespräch fand während der
Reisemesse ITB (6. bis 10. März) in Berlin statt.
Herr Waldmüller, sie sind Münchner und zugleich Präsident des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Wann haben sie das letzte Mal in Bayern Urlaub gemacht?
Wolfgang Waldmüller: Vor 14 Tagen, kurzzeitig. Da war ich in Ellmau zum Skifahren. Das ist zwar in Österreich, aber ich war vorher bei meiner Verwandtschaft in München. Von dort fahre ich immer nach Ellmau. Das ist ein Katzensprung von München.
Was würden Sie Besuchern, die nach Bayern kommen, empfehlen?
Waldmüller: Bayern ist so facettenreich, da kann man sich nicht satt sehen. Ich würde empfehlen, auf jeden Fall etwas in den Bergen zu machen. Die kulturellen Traditionen, die in Bayern gelebt werden, muss man besuchen. Zum Beispiel das Oktoberfest.
Und was finden Touristen in Bayern nicht, was sie aber in Mecklenburg-Vorpommern finden werden?
Waldmüller: Strand. Wir punkten mit 1900 Kilometer Strandlandschaft, mit Nationalparks, mit unglaublich viel Wasser, wir haben die Seenplatte im Binnenland. Wir haben auch Berge, die sind bei uns allerdings nicht so hoch. Der höchste ist 179 Meter hoch. Das wäre in Bayern höchstens ein Hügel.
Herr Wagner, Sie sind stellvertretender Geschäftsführer von Bayern Tourismus. Was sagen Sie: In Bayern kann man ja trotzdem baden gehen, oder?
Wolfgang Wagner: In Bayern kann man baden gehen, wenn man das möchte. Durchaus. Wir haben das Bayerische Meer mit dem Chiemsee, die oberbayerischen Seen oder auch tolle Seen in Franken. Aber ich gestehe: Uns fehlt das echte Meer.
Waldmüller: Da müsstet Ihr eine Wellenanlage bauen.
Wagner: Die Wellenanlage haben wir schon – in München, im Eisbach. (Gelächter)
Herr Wagner, wo liegen die Stärken Bayerns?
Wagner: Im Bereich Natururlaub. Da sind wir in Deutschland das Reiseziel Nummer eins. So wie Mecklenburg-Vorpommern es im Bereich Sonne, Strand, Meer für sich beanspruchen kann.
Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen hängt Mecklenburg-Vorpommern Ihr Land, also Bayern, ja ein wenig ab, wenn es um längere Urlaubsreisen geht. Wie lässt sich der Spieß umdrehen?
Wagner: Mei, da bin ich ehrlich: Die Entwicklung ist nicht neu. Der Punkt ist: Das wichtigste Urlaubsreisemotiv der Deutschen ist Sonne und Strand. Entsprechend wundert mich das Ganze nicht. Bei den Urlaubsreisen ab fünf Tagen schlägt uns Mecklenburg-Vorpommern leicht, dafür haben wir im Kurzreisesegment einen Marktanteil von elf Prozent, auch die Tagesreisen sind stark. Im internationalen Geschäft sind wir ein ganzes Stück vorn.
Waldmüller: Um eine Nasenlänge. (lacht)
Wagner: Im Bereich Urlaubsreisen gebe ich mich also gerne geschlagen.
Herr Waldmüller, die Zahlen zeigen, dass Bayern bei der reinen Zahl der Übernachtungen pro Jahr weit vorne liegt im Bundesländervergleich, Mecklenburg-Vorpommern liegt hier im Mittelfeld. Wenn es aber um die Zahl der Übernachtungen im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Landes geht, ist diese bei Ihnen mit Abstand am höchsten. Stößt man da an Kapazitätsgrenzen?
Waldmüller: Wir haben 1,6 Millionen Einwohner, 69 Menschen wohnen im Schnitt auf einem Quadratkilometer. So ergibt sich das Verhältnis zu den Urlaubern. Overtourism gibt es bei uns aber nicht, da passen wir auch auf. Das kann man mit Förderbedingungen regeln – dass zum Beispiel bestimmte Bettenkapazitäten nicht ausgebaut werden. Und wir müssen gucken, dass wir die ganze Saison bedienen können. Der Schwerpunkt auf die Hauptreisezeit im Sommer entzerrt sich langsam ein bisschen. Wir sind auf einem guten Weg.
Herr Wagner, wo sind in Bayern die touristischen Hotspots und wo verstecken sich vielleicht Geheimtipps, die auch eine Reise wert sein können?
Wagner: Bei uns ist das Städtethema stark gewachsen, allen voran München. Hotspots wie Neuschwanstein ziehen immer massiv Besuchermassen an. In unserer Kommunikation versuchen wir da bewusst gegenzusteuern. Indem wir mehr Geschichten der Menschen in Bayern erzählen und in allen Regionen authentische Menschen finden, die dann Botschafter ihrer Region sind. Wir fragen etwa eine Winzerin am Bodensee: Wenn Du ein Wochenende frei hast, was machst du in der Region, wo sind deine Lieblingsplätze? So kommen Orte vor, die normale Touristen nicht vor Augen haben. Natürlich ist auch klar: Je weiter der Gast von Bayern weg ist, desto mehr muss man auch die Klischees bedienen. Jemand aus China braucht keine Geheimtipps vom Bodensee. Allerdings kommt etwa ein Drittel der Urlauber aus Bayern selbst – und denen muss ich Bayern nicht mehr erklären.
Herr Waldmüller, folgende These: Mecklenburg-Vorpommern ist nur Ostsee und Müritz. Was entgegnen Sie?
Waldmüller: Wenn ich jetzt anfange zu erzählen, höre ich nicht mehr auf. Aber ich kann es kurzmachen: Es gibt natürlich viel mehr. Dieses Jahr ist unser großes Thema auf der Messe auch die Regionalität – und das meint alle Regionen des Landes. Das bewegt uns, dass wir nicht nur das Klischee von Sonne und Meer bedienen.
Herr Wagner, Wann haben Sie zuletzt Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern gemacht?
Wagner: (überlegt)
Waldmüller: Wenn er noch nicht da war, lade ich ihn jetzt ein.
Wagner: Jetzt entgeht mir leider diese Einladung. Ich war tatsächlich vor einigen Jahren auf Usedom.
Waldmüller: Dann wird es mal wieder Zeit!
Zu den Personen: Wolfgang Waldmüller (56) ist Präsident des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Wolfgang Wagner (38) ist stellvertretender Geschäftsführer von Bayern Tourismus.
(dpa/tmn)