Bayern stolpern ins Achtelfinale – «Fehlpass-Festival»
Bochum – Der starre Blick und die bittere Miene von Niko Kovac sprachen Bände. Es hätte nicht einmal eines Kommentars des Bayern-Trainers nach dem 2:1-Duselsieg des Rekord-Pokalsiegers beim tapferen Zweitligisten VfL Bochum bedurft. Seine Befindlichkeit war auch so eindeutig.
Der Kroate war stocksauer nach dem bedenklichen Auftritt seines Millionen-Ensembles, das in der zweiten Runde nur haarscharf an einer historischen Pokal-Blamage vorbeigeschrammt war. Kovac sagte mit kaum vernehmbarer Stimme, aber dennoch deutlich: «In der ersten Halbzeit war es ein Fehlpass-Festival von uns. Wir haben 60, 70 Minuten sehr viel falsch gemacht.»
Für Irritationen sorgte zudem ein befremdlicher Auftritt von Hasan Salihamidzic nach der Partie. «Top-Abend, top, top… Gut, richtig gut. Wir haben ein Riesenspiel gemacht», sagte der Sportdirektor kopfschüttelnd. Er fügte schließlich ohne Ironie an: «Es war ein Spiel, das wir schnell abhaken müssen.»
Manuel Neuer fand alles nicht so witzig, sondern «richtig traurig und enttäuschend, wie wir in der ersten Hälfte aufgetreten sind.» Der Nationalkeeper hatte keine Erklärung für die fahrige Vorstellung. «Ich weiß nicht, woran es liegt. Ob wir vom Kopf her nicht da sind oder man einfach keine Runde weiterkommen will. So sah es jedenfalls aus.» Jeder müsse die Fehler nun bei sich selbst suchen, forderte der Kapitän, der am Mittwoch bei der Verleihung des NRW-Verdienstordens von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sichtlich mehr Freude hatte als am Vorabend beim Spiel. Seine Kritik am bisweilen lustlosen Auftritt seiner Elf erneuerte er, nachdem er eine Nacht drüber geschlafen hatte: «Wir haben zuletzt keine Mittel gefunden zu zeigen, dass wir unschlagbar sind.»
Kovacs Analyse nach den Last-Minute-Toren von Serge Gnabry (83.) und Edel-Jokers Thomas Müller (89.) im voll besetzten Ruhrstadion fiel vernichtend aus. «Wir hatten lange keine Kontrolle über das Spiel. Zum Schluss hatten wird das Quäntchen Glück und den längeren Atem. Deshalb haben wir gewonnen», sagte der Coach, den nicht einmal die Erleichterung über den Achtelfinaleinzug milde stimmen konnte.
26 600 Fans hatten sich am Dienstagabend verwundert die Augen gerieben, weil der VfL, der als Drittletzter der 2. Liga in elf Spielen erst einen Sieg feierte, den Münchnern mit Kampf, Willen und Einsatz den Schneid abkaufte. Die Bayern-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge grummelten auf der VIP-Tribüne und verließen die Arena trotz des Happy Ends verärgert und wortlos. «Jetzt nicht», raunzte Vorstandschef Rummenigge auf eine Bitte nach einem Statement.
Nachdem die Bochumer durch ein Eigentor von Alphonso Davies (36.) sogar in Führung gegangen waren, sah sich Kovac genötigt, die erste personelle Korrektur schon in der Pause vorzunehmen. Topstürmer Robert Lewandowski, der es sich eingemummelt in eine dicke Decke auf der Ersatzbank gemütlich gemacht hatte, sollte das Schlimmste verhindern. Wie wenig Freude der Dauertorschütze daran hatte, war schnell zu sehen und zu hören. Kaum auf dem Platz, schimpfte der Pole mit seinen Mitspielern, weil deren Pässe ins Nichts gespielt wurden.
«Wir haben unfassbar viele Fehler gemacht beim Passspiel und eine gewisse Härte im Zweikampf vermissen lassen. Das war das größte Problem», sagte der Ex-Bochumer Leon Goretzka, der bei seinem ersten Startelfeinsatz nach zweimonatiger Verletzungspause noch einer der wenigen Lichtblicke war. «Das ist man nicht gewohnt von uns, dass wir so viele Abspielfehler machen, das war echt extrem auffällig und ja, man muss besprechen, woran es liegt. Einen Pass an den Mann zubringen, liegt eher beim Spieler als beim Trainer», sagte der Nationalspieler, der von 2001 bis 2013 für Bochum gespielt hatte.
Als der erstmals nach 13 Pflichtspielen in Serie leer ausgegangene Dauertorschütze Lewandowski allein nicht genügte, um das Blatt zu wenden, zog Kovac mit Coutinho (57.) für Goretzka sowie Müller (65.) für Corentin Tolisso seine letzten Asse. Dass ausgerechnet der zuletzt häufig verschmähte Müller den Coach vor großem Ungemach bewahrte, ist eine der Pointen der verrückten Partie. «Mit Coutinho und Müller haben wir mehr Zugriff bekommen», stellte Kovac fest.
Er ließ dann noch ein Lob für Bochum und den Trainerkollegen folgen, das wegen des süffisanten Untertons aufhorchen lässt. «Wie der VfL und Thomas Reis das nach dem letzten Spiel in Kiel hinbekommen haben, ist wirklich einzigartig. Man sieht, wenn man das tut, was der Trainer sagt, dann funktioniert das», sagte Kovac mit einem unmissverständlichen Seitenhieb auf seine Profis, denen er partiell die Professionalität absprach: «Dass wir so viele Fehlpässe spielen, hat ganz klar irgendetwas mit der Einstellung zu tun.»
(dpa)