Proteste in der Türkei weiterhin besorgniserregend

Die Lage in der Türkei bleibt kritisch. Die Protestbewegung gegen die Regierung wurde am Freitag nach den brutalen Übergriffen der Polizei auf überwiegend friedliche Demonstranten und Aktivisten ausgelöst und hat sich über das ganze Land verbreitet. Was zunächst eine kleine Protestbewegung gegen den Umbau des Taksim-Platzes war, scheint sich nach Meinung einiger Medien- und Politikvertreter zu einem „türkischen Frühling“ auszuweiten.

Die Fronten sind verhärtet

Ende letzter Woche starteten die Proteste in Istanbul nach der Kundgebung wegen des Umbaus des Taksim-Platzes zu Gunsten eines weitläufigen Einkaufszentrums. Überwiegend friedliche Demonstranten campierten auf den Grünanlagen des Gezi-Parks, um für ihre Grünanlage im Herzen der Stadt zu kämpfen. Durch das brutale Eingreifen der Sicherheitskräfte auf eben jene Demonstranten entlud sich die gesamte Wut der jüngeren Generation.

Seit dem Wochenende finden in allen türkischen Metropolen Demonstrationen statt. Die Wut der Bevölkerung richtet sich nun vor allem auf ihren Regierungschef Recep Tayyip Erdogan und der Rücktritt der Regierung wird gefordert. In den Augen der Demonstranten versucht Erdogan mit allen Mitteln, seinen autoritären Führungsstil durchzusetzen und somit die demokratischen Freiheiten der Bevölkerung zu beschneiden.

Die Angriffe der Polizei mit Wasserwerfern und übermäßigen Einsatz sowie direktem Beschuss von Tränengasgeschossen auf Demonstranten bestätigen diese Annahmen in ihren Augen. Erdogan hingegen musste auf Druck der harschen Kritik an der Vorgehensweise der Polizei aus Europa und den USA Fehler eingestehen. Dennoch sieht er sich weiterhin im uneingeschränkten Recht und beschuldigt die Opposition, die Unruhen gegen seine Regierung gestartet zu haben – zudem forderte er ein sofortiges Ende aller Proteste. Aus diesem Grund wurden seit Sonntag auch mehrere Menschen, die via Twitter zum Protest aufriefen, inhaftiert. Die schnelle Verbreitung von Informationen aller Art über die neuen Medien wurde von Erdogan in einem Interview als „Plage“ bezeichnet.

Die türkische Regierung ist noch nicht in der Demokratie angekommen

Der brutale Umgang mit Demonstranten lässt befürchten, dass das Demokratieverständnis, wie man es im europäischen Raum kennt, noch nicht in der Türkei angekommen ist. Im Internet kursieren eine Vielzahl von Augenzeugenberichten und Videos, die die Misshandlungen von friedlichen Demonstranten durch Polizeikräfte belegen. Selbst von Lähmungserscheinungen durch Gasgeschosse wird mehrfach berichtet. Bislang wurden etwa 1.000 Verletzte gemeldete. Einige davon haben durch Tränengaskanister ihr Augenlicht verloren. Der Weg in die EU wird für die Türkei kein leichter sein.

Bild: md