Nie mehr «Vizekusen»: Bayer will den Titel
Völklingen – Jetzt zählt nur der Titel – und das endgültige Ende von «Vizekusen»: Nach dem Final-Einzug von Bayer Leverkusen im DFB-Pokal waren die Corona-Empfehlungen kurzzeitig vergessen.
Bei der Kabinen-Feier nach dem 3:0 (2:0) beim Viertligisten 1. FC Saarbrücken lagen sich Spieler hüpfend in den Armen. Und Sportchef Rudi Völler hofft auf zumindest ein paar Zuschauer im Finale.
In dem «riesigen Stadion» in Berlin könne man «ein kleines Zeichen» setzen, sagte Völler mit Blick auf das Endspiel am 4. Juli. In der Bundesliga zählt der Einlass von Zuschauern wohl nicht zu den möglichen Lockerungen, die derzeit diskutiert werden. Doch das Pokal-Endspiel findet eine Woche nach Liga-Ende statt. Und ist eben nur ein Spiel. «Ich bin da ein bisschen Optimist und habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir vielleicht ein paar Zuschauer dabei haben werden», sagte Völler: «Aber das entscheidet die Politik.»
Für Bayer wäre ein Geister-Finale auch deshalb bitter, weil ein Pokal-Endspiel alles andere als alltäglich für die Leverkusener ist. Zum erst vierten Mal und zum ersten Mal seit elf Jahren steht die Werkself wieder im Endspiel. Und ist optimistisch, endlich die 27 Jahre dauernde Titel-Durststrecke zu beenden. Völler, der kurioserweise 1994 und damit ein Jahr nach dem letzten Triumph im Pokal zu Bayer kam und dem diese Trophäe auch in seiner beachtlichen Sammlung als Spieler fehlt, umdribbelt das Wort «Titel» beharrlich.
Andere sind da umso forscher. «Man spielt Endspiele, um sie zu gewinnen», sagte Trainer Peter Bosz. «Das ist eine große Chance auf einen Titel», sagte Geschäftsführer Fernando Carro. Und auch der überragende Kerem Demirbay, der die drei Tore durch Moussa Diaby (11.), Lucas Alario (19.) und Karim Bellarabi (58.) alle vorbereitete oder einleitete, redete Klartext. In einem Spiel gehe es immer nur um «Kill» sagte der zweimalige Nationalspieler: «Da geht es um alles. Das ist Krieg – nicht falsch verstehen – da gibt es nur Vollgas. Ich habe richtig Bock darauf. Und die Mannschaft auch.»
Am 4. Juli soll das Thema «Vizekusen» dann nach acht zweiten Plätzen seit 1993 endlich zu den Akten gelegt werden. Sie haben durchaus ein ambivalentes Verhältnis dazu in Leverkusen. Zuerst ärgerten sie sich über den Spott. Dann ließ der Verein es als Markenzeichen eintragen. Weil ein zweiter Platz besser ist als nichts und wohl auch, um den Spöttern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Spätestens seit Carros Amtsantritt vor zwei Jahren steht das Wort wieder komplett auf dem Index. Das Motto lautet: Es sollen endlich Titel her.
Nun ist eine große Chance da. Und dass Bayer das Finale erreichte, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen das Losglück, das in den letzten Jahren oft fehlte. Zum anderen die Seriosität, mit der die auch mal an Lotte oder Heidenheim gescheiterte Werkself die Aufgaben als durchweg klarer Favorit anging.
Zudem hat das Team zumindest einzelne Pokal-Experte in seinen Reihen. Zum einen Sven Bender, der das Endspiel mit Dortmund fünfmal erreichte und sich nun «riesig auf das erste mit Leverkusen freut». Zum anderen Torhüter Lukas Hradecky, der schon mit Eintracht Frankfurt zwei Mal in Berlin war und nun zum dritten Mal in fünf Jahren dabei ist. Auch Mitchell Weiser, Aleksandar Dragovic, Daley Sinkgraven, Exeuqiel Palacios, Charles Aranguiz und Lucas Alario haben in verschiedenen Ländern schon Pokalsiege errungen.
(dpa)