100 Jahre Boxermotor – Gegeneinander gut arbeiten

Aachen – Sägender Sound bei völliger Laufruhe. Bei Verbrennungsmotoren schafft das nur der Boxermotor. Der wird in der Großserie nun 100 Jahre alt. Das Motorprinzip selbst ist noch älter: Carl Benz nannte es 1896 «Contra-Motor» und baute den Antrieb ein Jahr später im Modell «Dos à Dos» ein. Richtig populär wurde der Boxer erst ein paar Jahre später mit BMW, aber auch mit dem VW Käfer oder der Ente von Citroën.

Gegeneinander der Kolben bringt Laufruhe

Der Boxermotor bietet im Vergleich zu anderen Motorkonzepten mehrere Vorteile. Dazu gehören die flache Bauart, der niedrige Schwerpunkt und gut ausgeglichene Massenkräfte, erläutert Prof. Stefan Pischinger von der RWTH Aachen. Das Grundprinzip ist, dass sich zwei gegenüberliegende Kolben auf einer Linie mit der gleichen Geschwindigkeit bewegen. Dadurch läuft der Boxer sanft und vibrationsarm. Während ein Reihenmotor erst ab sechs Zylindern einen ruhigen und ausgeglichenen Motorlauf bietet, schafft das ein Boxermotor bereits ab vier Zylindern.

Einen Verbrauchs- oder Emissionsnachteil verursachen Boxermotoren konstruktionsbedingt nicht. Allerdings spiele das Konzept nur bei geraden Zylinderzahlen seine Vorteile aus. Ein derzeit beliebter Downsizing-Motor mit drei Zylindern lässt sich mit dem Boxerprinzip daher nicht realisieren.

Nur wenige setzen heute auf das Boxer-Prinzip

Im Wesentlichen wenden aktuell nur zwei Autohersteller dieses Prinzip an. «Durch die doppelte Anzahl von Nockenwellen oder Zylinderköpfen ist der Motor teurer. Außerdem muss das Fahrzeugkonzept eng auf den zwar flach, aber breit bauenden Motor zugeschnitten werden», erklärt Prof. Pischinger. Durch die Längslage kommt der Einsatz nur bei Allradfahrzeugen oder Autos mit Hinterradantrieb infrage – ideal für Sportwagen wie von Porsche oder Geländewagen wie von Subaru.

«Bei den beiden Herstellern gehört das Motorprinzip zur Tradition, sie pflegen damit ihr Markenimage», sagt der Institutsleiter des Lehrstuhls für Verbrennungskraftmaschinen.

Auch Motorräder «boxen»

Für Motorräder gelten dieselben Vorteile wie für Autos: niedriger Schwerpunkt, kompakte Bauweise, Laufruhe, Durchzugsstärke und eine hohe Effizienz. 1920 entwickelte BMW einen 500-Kubik-Zweizylinder-Boxer mit 6,5 PS, der aber an einen kleinen Motorradhersteller verkauft wurde. Erst 1923 konzipierte BMW mit der R 32 sein erstes eigenes Motorrad mit dem Zweizylinder.

Vor allem in der Motorrad-Anfangszeit hatten Motoren oft Kühlprobleme. Mit den im Wind stehenden Zylindern war Kühlluft ausreichend vorhanden. Auch fiel eine Reparatur leichter, da Schrauber direkt an den Ventiltrieb kamen. Bis auf eine kurze Unterbrechung zwischen 1945 und 1949 stellt BMW bis heute Boxer-Motorräder her. Bei den Autos zog die Motorrad-Technik hingegen nur als Übergangstechnologie ein, in die Modelle BMW 600 und 700.

Anders als bei Subaru. Seit 1966 produziert der japanische Hersteller Boxermotoren für Autos. Mit rund 1,2 Millionen verkauften Boxermotoren pro Jahr ist Subaru der größte Hersteller dieser Antriebsart. Durch die niedrige Bauhöhe erzielt Subaru einen tiefen Schwerpunkt, der bei einer weit hinter der Vorderachse liegenden Position für eine ausgewogene Gewichtsverteilung sorgt.

«Vibrationen sind kaum wahrnehmbar und der niedrige Schwerpunkt bietet ein geringes Wankverhalten in Kurven und dadurch ein sehr agiles Handling», sagt Jörg Kracke, Leiter Technik bei Subaru Deutschland. Dazu komme ein gutes Crashverhalten. Bei einem Aufprall schiebt sich der flache Boxermotor unter die Fahrgastzelle. Im Vergleich zu ähnlichen Fahrzeugen fahre er sich sportlicher und komfortabler.

Legendäre Porsche-Boxer

Porsche stellte bereits 1948 mit dem 356 einen Vierzylinder-Boxermotor vor. Der Boxermotor des Modells 901/911 schöpfte ab 1963 aus sechs Zylindern und 2,0 Litern Hubraum eine Leistung von 130 PS. Insgesamt liefen bisher mehr als 1,7 Millionen Boxer von den Bändern. Thomas Wasserbäch entwickelt seit 1998 Motoren bei Porsche, seit 2003 Boxer.

«Es ist dieses willige Drehvermögen und das direkte Ansprechverhalten bis in hohe Drehzahlen, die den Boxer ausmachen», erklärt er. «Dazu kommt der unnachahmliche Klang.» Er könne sich Porsche ohne Boxer nicht vorstellen. «Das ist der heilige Gral der Firma, den wir hüten und pflegen.»


(dpa/tmn)

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