Demut und keine Küsse: Köln spricht noch nicht über Europa
Köln (dpa) – Toni Leistner sprach aus, was viele dachten. «Wenn es die Corona-Krise nicht gegeben hätte, hätten wir es wohl über die Runden gekriegt», mutmaßte der Abwehrspieler des 1. FC Köln nach dem verspielten 2:0-Vorsprung beim 2:2 gegen den FSV Mainz 05.
Stoppt die Corona-Pandemie etwa den Kölner Durchmarsch nach Europa? Solche Deutungen wollen sie rund ums Geißbockheim zwingend vermeiden. Denn sonst würde das Ende der beeindruckenden Mission von Trainer Markus Gisdol und Sportchef Horst Heldt womöglich noch als Enttäuschung gedeutet. «Wir dürfen nicht den Fehler machen, aufgrund der tollen Ergebnisse zu vergessen, was davor war», mahnte der Trainer.
Heldt konnte dem verschenkten Sieg letztlich sogar zwei positive Aspekte abgewinnen. Zum einen kamen der Sportchef und seine Profis nicht in Verlegenheit, nach dem Abpfiff wilder als erlaubt zu feiern. «Ich glaube, wir waren heute artig», sagte Heldt lächelnd: «Es gab keine Küsse und keine Umarmungen.»
Zum anderen wächst die Euphorie den Verantwortlichen nach dem beeindruckenden Ritt durch die Liga eben nicht über den Kopf. Hätten die Kölner nach den Toren von Mark Uth (6., Foulelfmeter) und Florian Kainz (53.) gegen Mainz und Ex-Trainer Achim Beierlorzer gewonnen, wären sie bis auf zwei Punkte an den möglicherweise für die Europa-League-Teilnahme reichenden siebten Platz herangerückt. Nach den Mainzer Treffern durch Taiwo Awoniyi (61.) und Pierre Kunde Malong (72.) geht – zumindest offiziell – der Blick weiter zur Absicherung nach unten.
«Wir sollten demütig genug sein, nach einem Punkt gegen Mainz mit einem gutem Gefühl nach Hause zu gehen», sagte Gisdol trotz zehn Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz: «Es ist immer noch brandgefährlich. Und wir wissen nicht, wie sich die Rahmenbedingungen nach dieser Pause verändern. Deshalb sind wir immer noch total auf der Hut.»
Die Erfahrungen aus dem Spätherbst wirken immer noch nach. Nach dem missglückten Experiment mit Beierlorzer, der neun Tage nach seiner Entlassung in Mainz anheuerte und dort glücklicher wurde, waren Gisdol und Heldt mit Skepsis empfangen worden und legten im verunsicherten Umfeld einen veritablen Fehlstart hin. Mitte Dezember schien der FC als Tabellenletzter ein hoffnungsloser Fall, manche Spötter munkelten schon über eine baldige Ablösung Gisdols. Dann folgten acht Siege aus zehn Spielen.
Auch wenn es aus zwei Geisterspielen nun nur einen Zähler gab, ist der Klassenerhalt bei nur noch acht ausstehenden Spielen aber quasi sicher. Das wird auch die launische Diva vom Rhein nicht mehr verspielen. Auch nicht in Corona-Zeiten. Und zumindest im Hinterkopf hat der ein oder andere schon noch die gar nicht so unrealistische Chance auf Europa. Nächsten Sonntag erwartet der FC nämlich Fortuna Düsseldorf, und der rheinische Nachbar steht eben zehn Punkte zurück auf dem Relegationsplatz. Und auch hier sprach Leistner wieder aus, was viele bestenfalls dachten. «Wenn wir nächste Woche 13 Punkte Vorsprung haben», sagte er: «Können wir vielleicht an etwas anderes denken.»
(dpa)