Radfahren in Zeiten von Corona

Berlin – Ein Virus verändert unseren Alltag. Auch auf den Straßen ist das deutlich zu sehen: Weniger Autos sind unterwegs und statt mit Bus und Bahn zu fahren, scheint mancher lieber zu radeln. Verkehrsexperten setzen in Corona auch eine Hoffnung. Radfahren in Zeiten der Pandemie – einige Eindrücke.

– Erlebnis: Es gibt Dinge, die so vielleicht nur wegen Corona möglich sind: Nachmittags zügig über den Checkpoint Charlie in Berlin-Mitte zu radeln, kaum Touristen, wenig Autos. Freie Fahrt auch am Brandenburger Tor. «Es ist insgesamt viel weniger Verkehr, es sind auch weniger Radfahrer – ein Gefühl wie in den Sommerferien. Bei denen, die unterwegs sind, ist der Anteil an Radfahrern größer», sagt René Filippek vom
Allgemeinen Deutschen-Fahrradclub. Nach Angaben des ADFC ist der Verkehr in den Städten wegen der Corona-Krise teilweise um 40 Prozent gesunken. Dass deutlich weniger Autos unterwegs sind, zeigten auch Daten des Navi-Anbieters TomTom: Am 19. März – am Tag nach der TV-Ansprache der Bundeskanzlerin – lag das Verkehrsaufkommen demnach in Frankfurt am Main um 17 Uhr 45 Prozent unter dem Vorjahreswert. Ähnlich war es in Hamburg, München und Köln.

– Erwartung: Die
Denkfabrik Agora Verkehrswende und der ADFC sehen die Chance, in der Corona-Krise die Verkehrswende voranzubringen. «Es zeigt sich gerade, wie dringend wir sichere, breite Radwege brauchen. Sie sichern Mobilität und gleichzeitig auch die Gesundheit. Berlin richtet aus diesem Grund gerade mit einfachen Mitteln rasch neue temporäre Radwege ein. Das nützt uns über die Corona-Zeit hinaus auch bei der Verkehrswende», sagt Wolfgang Aichinger, Projektleiter städtische Mobilität bei Agora Verkehrswende. Das könnten viele Städte nachmachen, die Pläne für den Ausbau der Radinfrastruktur gebe es längst, nur habe es bislang häufig an der Umsetzung gehapert. «Gegen Veränderungen gibt es häufig viele Bedenken. Das ist jetzt wie ein Testlauf – wenn die Menschen und die Verwaltung merken, es ist erfolgreich und funktioniert, wird es schwierig, solche Entscheidungen wieder zurückzunehmen.» Der ADFC hofft ebenfalls auf Effekte wegen Corona, warnt zugleich aber vor zu großen Erwartungen.

– Erholung: Abstand halten, Zuhause bleiben – so soll das Coronavirus eingedämmt werden. Wegen der Einschränkungen ist die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr um bis zu 90 Prozent eingebrochen. Wege zur Arbeit oder zum Einkaufen erledigen viele anscheinend lieber mit dem Fahrrad oder zu Fuß.
Ingo Froböse, Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln, hält das für eine gute Idee. «Natürlich sollte man Rad fahren, ich kann die Anstrengung gut dosieren. Das Immunsystem wird angeregt, ein moderater und regelmäßiger Reiz ist wichtig – gerade auch, um sich gegen Corona zu wappnen.» Der Sportwissenschaftler rät, auf Distanz zu achten. «Man sollte nicht ganz eng auffahren, sondern lieber fünf bis zehn Meter Abstand lassen und dann am besten etwas versetzter fahren.»

Auch der Virologe Christian Drosten hatte in einem seiner
NDR-Podcasts betont, wie wichtig Entfernung ist. Man solle zudem Situationen meiden, in denen man keinen Einfluss mehr auf den Abstand habe, etwa in der U-Bahn. «Dann ist eben die Frage, soll man nicht lieber mit dem Fahrrad fahren stattdessen?»

– Einsatz: Auch Sportler setzen wegen Corona gezwungenermaßen aufs Home-Office: Anstatt draußen mit dem Rad Kilometer abzuspulen, nutzen viele ein Trainingsgerät zum Radtraining. Besonderen Einsatz zeigte Ironman-Weltmeister
Jan Frodeno: Er absolvierte am 11. April einen Triathlon in den eigenen vier Wänden in seiner Wahlheimat Spanien, die besonders schwer vom Coronavirus betroffen ist. 3,86 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,2 Kilometer Laufen. «Es ist mental eine große Herausforderung, diese 226 Kilometer zu bewältigen, ohne mich mehr als fünf Meter von der Stelle zu bewegen», sagte Frodeno. Rad fuhr er dabei auf einem Smart-Rollentrainer. Bei seinem
«Tri@home» sammelte der 38-Jährige Geld, es soll den Helferinnen und Helfern in Girona sowie der Stiftung Laureus Sport for Good zugute kommen.


(dpa)

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