Bielefeld vom Sorgenfall zum Aufstiegsaspiranten
Bielefeld – Arminia Bielefeld hat eine beeindruckende Entwicklung genommen. Noch keine zwei Jahre ist es her, da stand der Traditionsclub aus Ostwestfalen sportlich und finanziell am Abgrund. Ende 2017 hatte der Zweitligist rund 30 Millionen Euro Schulden angehäuft, die Insolvenz drohte.
Inzwischen ist der ehemalige Sanierungsfall zum gesunden und ambitionierten Club mutiert, der sogar wieder von der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga träumen darf.
Öffentlich halten sich die Verantwortlichen vor dem Gipfeltreffen am Freitag (18.30 Uhr/Sky) mit Spitzenreiter VfB Stuttgart auf der Alm mit forschen Ansagen zurück. «Bei einem Sieg bekommen wir auch nur drei Punkte», sagte Arminen-Coach Uwe Neuhaus. Gleichwohl würde das Überraschungsteam der Liga (15 Punkte) im Duell mit der einzigen nach sieben Spieltagen noch ungeschlagenen Zweitliga-Mannschaften mit einem Heimsieg sogar an den Schwaben (17 Punkte) vorbeiziehen. Mindestens für einen Tag wäre die Arminia Tabellenführer.
Aus der komfortablen Lage mag aber niemand einen Aufstiegsanspruch ableiten. «Für Hirngespinste sind die Medien zuständig», sagte Neuhaus am Mittwoch. Mittelfeldspieler und Topzugang Marcel Hartel, der von Union Berlin kam und wichtiger Dreh- und Angelpunkt des Arminia-Spiels ist, beteuerte im «kicker» (Donnerstag): «Das Wort Aufstieg ist in der Kabine noch nicht gefallen.»
Erst das «Bündnis Ostwestfalen» – ein Zusammenschluss regionaler und lokaler Unternehmen, Sponsoren und Unterstützer – bewahrte den Verein nach schwierigen Verhandlungen mit Gläubigern und einem Schuldenschnitt vor dem Kollaps. So schuf das Bündnis vor zwei Jahren die Voraussetzungen für den folgenden Aufschwung. Der seinerzeit verpflichtete Finanz-Geschäftsführer Markus Rejek (51) erwarb sich den Ruf eines Sanierers. Mit dem Verkauf des Stadions im November 2018 bekam der Club endgültig wieder festen Boden unter die Füße. Kurz darauf teilte er mit: «Die Arminia-Gruppe ist schuldenfrei.»
Sport-Geschäftsführer Samir Arabi stieg im März 2011 ein. Da befand sich der Club schon auf dem Weg in die 3. Liga. Mit einem radikalen personellen Umbau leitet Arabi nach und nach die Wende ein. Sein größter Coup war Stürmer Fabian Klos. Der ist inzwischen Arminias Rekordtorjäger und führt mit sechs Treffern (vier Vorlagen) auch die aktuelle Zweitliga-Torschützenliste an.
Ein gutes Händchen bewies Arabi zuletzt auch bei der Trainer-Auswahl. Im Dezember 2018 löste Neuhaus den in Bielefeld beliebten Luxemburger Jeff Saibene ab. Im Sommer stellte das Duo Arabi/Neuhaus einen Kader zusammen, der nun beweist, dass er sich oben festsetzen kann. Saisonübergreifend holte Arminia mit dem 59 Jahre alten Coach 49 Punkte aus 25 Spielen. Im laufenden Kalenderjahr sammelte kein Team mehr Zweitliga-Zähler als die Bielefelder.
Zufall ist das alles nicht, sondern das Ergebnis akribischer Arbeit. Zwar wirkt Neuhaus zuweilen distanziert, aber bei den Spielern kommt seine pragmatische Art an. Ziele definiert er klar. Im März verriet Neuhaus dem «Westfalen-Blatt», dass er in die Bundesliga will. «Warum soll mir das als Trainer nicht gelingen? Das ist mein Ziel und es bleibt mein Ziel, solange, bis es nicht mehr erfüllbar ist.»
(dpa)