Draxlers zweites Gesicht nach der Wohlfühl-Kur beim DFB
Hannover – In Hannover hat Julian Draxler sein strahlendes Gesicht gezeigt. Nach einer starken Leistung und dem 2:0 gegen Nordirland plauderte der Fußballprofi gut gelaunt über seinen Auftritt im Nationaltrikot.
Doch keine 100 Kilometer entfernt erwartete ihn am Mittwoch schon wieder der graue Alltag in der Industriestadt Wolfsburg, wo er nicht glücklich zu werden scheint. «Ich war erleichtert», sagte Draxler etwa zu seinem Führungstor. «Das war schön für mein Selbstvertrauen, für mein eigenes Ego.» Der in der Bundesliga zuletzt extrem schwach auftretende Profi wird im Nationaltrikot immer stabiler in seinen Leistungen und belohnte sich in Hannover mit seinem dritten Länderspieltreffer.
Der 23-Jährige ist auf dem Weg, Stammspieler zu werden und in der DFB-Auswahl jene Konstanz zu zeigen, die Bundestrainer Joachim Löw noch im Sommer in Frankreich angemahnt hatte. «Ich habe mich bei der EM schon an die erste Elf herangearbeitet», sagte der Wolfsburger. «Das war ein gutes Zeichen für mich, dass ich beide Spiele von Anfang an dabei sein durfte.» In beiden Qualifikationsspielen für die WM kam er in der Startelf zum Zuge und überzeugte.
Wer zuletzt seine Spiele im VfL-Trikot verfolgt hat, dürfte ziemlich überrascht gewesen sein. Denn beim VfL Wolfsburg gilt der teuerste Spieler des Kaders als das Gesicht der Krise. Den zum Teil lustlos wirkenden Bundesliga-Auftritten ließ der hoch talentierte Draxler im DFB-Dress Kostproben seines großen Könnens folgen.
«Mich freut es, dass wir es mit der Nationalmannschaft schaffen, Spieler wieder aufzubauen und ihnen Sicherheit zu geben – Julian gehört sicher auch dazu», sagte Teammanager Oliver Bierhoff. «Ihm haben die beiden Spiele gut getan, und dann mit so einem Erfolgserlebnis – umso schöner.»
Frust wegen der Probleme in Wolfsburg habe «man nicht gespürt», berichtete Bierhoff, «aber Freude, hier zu sein». Die Tage mit der Nationalmannschaft hatten offensichtlich die Wirkung einer Wohlfühl-Kur auf Draxler. «Es ist hier ein anderes Umfeld, es sind andere Gespräche und Top-Mitspieler», sagte der Teammanager.
Mit dem Schwung von Hannover könnte Draxler in Wolfsburg so etwas wie ein Neunanfang gelingen. Vor der Saison hatte er sich selbst zusätzlichen Druck gemacht und die VfL-Fans düpiert, als er unverhohlen seinen vorzeitigen Wechsel forcieren wollte. Das nehmen ihm die Wolfsburger Anhänger weiterhin übel.
Immerhin, Draxler scheint das zu verstehen. «Ich kann mich ja nicht im Sommer hinstellen und sagen «Ich möchte den Verein verlassen» und dann jetzt sauer sein, wenn jemand darüber redet. Das ist bei mir nicht so.» Verzeihen werden die Fans ihm aber nur, wenn er im VfL-Trikot so schwungvoll auftritt wie im Nationalmannschaftsdress.
(dpa)