FIFA im Dilemma: Israelischen Siedlerclubs droht Ausschluss
Maale Adumim – Grün sticht der Rasen hervor zwischen den staubigen Hügeln östlich von Jerusalem. Kinder laufen laut rufend Fußbällen hinterher, grätschen, schmeißen sich auf das künstliche Gras. Die Mannschaften von Beitar Maale Adumim trainieren im Sonnenuntergang.
«Ich mag Fußball», sagt der achtjährige Guy Misrachi mit Zahnlücke und Segelohren. Er will Fußballprofi werden, bewundert Lionel Messi und den FC Barcelona. Sechs Stunden in der Woche trainiert er im Industriegebiet zwischen Tankstelle und Weinfabrik.
Doch seinen Traum träumt Guy Misrachi auf heiklem Gebiet. Der israelische Fußballclub spielt im palästinensischen Westjordanland, Maale Adumim ist eine Siedlerstadt mit rund 40 000 Einwohnern. Deswegen schauen die Club-Verantwortlichen besorgt auf die Sitzung des FIFA-Councils am Donnerstag und Freitag im fernen Zürich.
Mehr als 60 Abgeordnete des Europaparlamentes haben die FIFA in einem Brief dazu aufgefordert, «mindestens fünf» Siedlerclubs von allen FIFA-Wettbewerben und aus dem Israelischen Fußballverband auszuschließen, darunter auch Beitar Maale Adumim.
Die Abgeordneten verweisen auf die FIFA-Statuten. Danach darf kein Club auf dem Gebiet eines anderen Verbandes ohne dessen Zustimmung und der Zustimmung der FIFA spielen. «Wir verhandeln auf dem Platz auch nicht darüber, ob eine Blutgrätsche eine Rote Karte ist oder nicht», sagt einer der Unterzeichner, der Linke-Abgeordnete Fabio De Masi. «Es gibt im Sport einfach Regeln, und ich glaube, dass sich die FIFA an ihre eigenen Regeln halten muss und dass auch die völkerrechtlichen Grundsätze gelten müssen.»
Israel hat das Westjordanland im Sechs-Tage-Krieg 1967 erobert und kontrolliert es seither weitgehend. Der israelische Siedlungsausbau gilt etwa aus Sicht der Europäischen Union als ein Haupthindernis auf dem Weg zu einer Friedensregelung in Nahost. Im Westjordanland und Ost-Jerusalem leben nach Schätzungen der Menschenrechtsorganisation Betselem etwa 550 000 israelische Siedler.
«Wenn die FIFA uns ausschließt, werden diese Kinder keinen Fußball mehr spielen», sagt Clubmanager Ben Hadad – verspiegelte Sonnenbrille, kurze schwarze Haare. «Alle Teams werden geschlossen. Der Name Beitar Maale Adumim wird ausgelöscht.»
Rund 500 Mitglieder habe der Club, 450 davon Kinder. Ein Männer- und ein Frauenteam spielten in der vierten Liga. Der israelische Fußballverband verweist darauf, dass die Spieler der betroffenen Clubs Amateure seien, vor allem Kinder und Jugendliche.
«Wir könnten für das Training offen bleiben, aber das wäre nicht professionell, die Trainer wären nicht mehr hier», sagt der 25-jährige Hadad. Ohne die FIFA-Erlaubnis könnten die zehn Mannschaften nicht mehr gegen die anderen Teams in ihren Ligen antreten – und ohne Wettbewerb fehle die Motivation für die Jüngeren. Entweder soll die FIFA die Clubs ausschließen, fordern De Masi und seine Mitstreiter – oder sie müssten innerhalb der international anerkannten Grenzen von Israel umziehen.
Die FIFA steckt weiter im politischen Dilemma. Der Dauerkonflikt beschäftigt sie schon lange. Palästinas Verband beklagte, die israelischen Sicherheitskräfte würden ihre Spieler gängeln, sie bekämen beispielsweise keine Ausreisegenehmigungen von Israel. Die FIFA richtete eine Task Force ein, der ehemalige südafrikanische Freiheitskämpfer Tokyo Sexwale wurde zu deren Vorsitzendem berufen.
In seinem letzten diplomatischen Meisterstück verhinderte der ehemalige FIFA-Chef Joseph Blatter beim Kongress im Mai 2015 einen Eklat, als er den Präsident des palästinensischen Fußballverbandes, Dschibril Radschub, in letzter Sekunde dazu bewegte, einen Antrag auf Ausschluss Israels aus der FIFA zurückzuziehen. Eine solche Abstimmung hätte einen tiefen Riss im Weltverband offenbart.
«Ich denke, das ist ein richtiger und fairer Vorschlag», sagt Radschub nun über die Initiative, die Siederclubs nur in Israel spielen zu lassen. «Es ist eine klare Botschaft an die israelische Regierung und die Israelis, dass die besetzten palästinensischen Gebiete nicht Teil von irgendwelchen normalen israelischen Aktivitäten sein sollten als wären sie ein Teil Israels.»
Für den Ausschluss der Siedlerclubs bekommen die Palästinenser aktuell auch Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen. Avaaz versuchte am Dienstag, mit palästinensischen Kindern zum Fußballspielen in Maale Adumim einzudringen. Und auch die Vereinten Nationen sehen die Palästinenser in diesem Fall im Recht. Willi Lemke, Sonderberater des Generalsekretärs für Sportfragen, machte dies laut eines Berichts des «Guardians» deutlich.
Omri Brinner, Kapitän des Männerteams in Maale Adumim, spielt nun mit einer Israel-Flagge auf seinem Trikot. Ein FIFA-Ausschluss würde für ihn ein heikles Signal aussenden. «Es zieht die Grenzen zwischen Israel und Palästina durch einen Fußballverband anstatt durch die richtigen politischen und diplomatischen Kanäle.»
(dpa)